Wie gelingt die Heilung narbenfrei? Georg Duda erhält ERC Advanced Grant für die Erforschung der „Immunomechanik“

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) hat Professor Georg Duda vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) einen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro zugesprochen. Sein ausgezeichnetes Projekt beschäftigt sich mit dem neuen Feld der Immuno-mechanik, dem Zusammenspiel von Immunsystem und der Gewebemechanik durch Kontraktion und Bindegewebsbildung. Insbesondere bei der Heilung nach Verletzungen ist dieses fein abgestimmte Zusammenspiel wichtig, um narbenfreies Heilen zu ermöglichen.

 

Der Ingenieur Georg Duda interessiert sich für die Regeneration von Geweben. Darunter verstehen Mediziner die Fähigkeit des Körpers, nach Verletzung oder Krankheit Gewebe und deren Funktion wieder vollständig herzustellen. Dabei entstehen häufig Narben, in denen das Gewebe verändert ist, aber nicht immer. „Ein Musterbeispiel für die narbenfreie Regeneration ist der Knochen“, sagt Georg Duda. „Nach einem Bruch heilt ein Knochen in der Regel ohne Narbe aus und stellt dabei Form und Funktion vollständig wieder her.“ Sowohl die Narbenbildung als auch die vollständige Regeneration beruhen auf zellulärer Selbst-Organisation, bei der Zellen die Wundränder zusammenziehen und Fibronektin und Kollagen herstellen, um die Wunde zu schliessen. Später wachsen Blutgefäße in diese Struktur ein und in weiteren Schritten wird der Knochen wieder mineralisiert.

Wechselspiel zwischen mechanischer Belastung und Entzündung

Duda und sein Team konnten zeigen, dass direkt nach einer Fraktur oder einer Verletzung sowohl mechanische Einflüsse als auch aufeinanderfolgende Entzündungsreaktionen bestimmen, wie erfolgreich eine Heilung verläuft. Auch ob sich neue Blutgefäße bilden, die so genannte Angiogenese stattfindet, hängt von diesen Einflüssen ab. Dass Knochen meist narbenfrei verheilen, Muskeln, Sehnen und Bänder dagegen oft vernarben, liegt unter anderem an dem Verhältnis zweier Immunzellarten: Im Knochen finden sich nach einem Bruch wenige CD8-positive T-Zellen und mehr CD4-positive T-Zellen. „Dieses Verhältnis sorgt für eine langsame, aber perfekte Heilung“, erklärt Georg Duda. „In zum Beispiel einer Sehne ist es genau umgekehrt: Hier überwiegen nach einem Riss oft die CD8-positiven T-Zellen, die Sehne heilt nie wieder perfekt aus.“ Der Biomechaniker ist davon überzeugt, dass es wichtig ist, die Entzündung vorsichtig zu dämpfen und die Phase der Regeneration früh einzuleiten.

„Unser Ziel ist es, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Patientinnen und Patienten weniger unter Narbenbildung leiden. Dazu möchten wir zwei bislang getrennte Welten zusammenbringen: Die Immunologie und die Mechanik“, sagt Georg Duda. Insbesondere die Entzündungsreaktion im Verletzungsbereich möchten die Wissenschaftler*innen studieren, sowie die Mechano-Biologie der Regeneration. „Wir begründen damit das neue Feld der Immuno-mechanik.“

Immunologie und Mechanik zusammenbringen

„Wir wollen herausfinden, wie die Immunologie mit der Mechanik zusammenhängt“, beschreibt Duda das Projekt, dass der ERC-Grant ermöglichen soll. Zunächst will das Team die unterschiedlichen mechanischen Bedingungen erforschen, auf die Immunzellen während der frühen Phase der Heilung bzw. Nicht-Heilung treffen. In künstlich hergestellten „Nischen“ wollen sie die Wechselwirkungen von Immunzellen mit Bindegewebszellen, Fibroblasten, unter verschiedenen mechanischen Bedingungen untersuchen. Sie hoffen, dass es ihnen gelingt, durch veränderte Bedingungen bessere, im optimalen Fall narbenfreie Heilung zu ermöglichen. Und schließlich möchten sie ihre Hypothese überprüfen, nach der diese synthetischen Nischen die Zusammensetzung der frühen Heilungsphase verändern und damit die Narbenbildung reduzieren oder ganz verhindern.

Professor Christopher Baum, wissenschaftlicher Direktor des BIH und Vorstand des Translationsforschungsbereichs der Charité – Universitätsmedizin Berlin, beglückwünscht Georg Duda zu dem großen Erfolg. „Georg Duda ist als Diplom-Ingenieur der lebende Beweis für den Wert des interdisziplinären Arbeitens. Sein biomechanisches Verständnis und seine Ideen für die Medizin haben die gesamte BIH-Sektion „Fortgeschrittene und Personalisierte Therapien“, deren Sprecher Georg Duda ist, beflügelt. Vertreter*innen aus verschiedenen Feldern der Grundlagenforschung und der Klinik treffen hier aufeinander, die Immunologin arbeitet mit dem Orthopäden, die Chirurgin mit dem Materialwissenschaftler. Damit ist das Institut für dieses wichtige ERC-Projekt bestens gerüstet. Hier kann die Translation gelingen und die Ergebnisse der Forschung hoffentlich bald vielen Patientinnen und Patienten zugutekommen.“

Das BIH Center for Regenerative Therapies sowie das Julius-Wolff-Institut gehörten bis zur Integration des BIH in die Charité (2021) zur Charité – Universitätsmedizin Berlin. Durch die Integration sind sie nun dem BIH, dem Translationsforschungsbereich der Charité zugeordnet.