Im Portrait | HealthTech: Recare optimiert das Entlassmanagement von Patienten

Mit seiner Plattform für digitales Entlassmanagement bietet Recare Krankenhäusern und Nachversorgern einen wichtigen Baustein für die Digitalisierung an. Das digitale Entlassmanagement ist ein Baustein des Krankenhauszukunftsgesetzes, das Kliniken zur Digitalisierung in insgesamt elf Feldern verpflichtet. Das 2017 gegründete Unternehmen ist daher in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen und konnte seinen Marktplatz stetig erweitern.

 

Kompliziert, ineffizient und analog – als Maximilian Greschke sieht, wie es bei der Koordination der Entlassung und Überleitung von Patientinnen und Patienten aus dem Krankenhaus zugeht, beschließt er, etwas zu ändern. Die Idee zur Entwicklung einer B2B-Plattform für digitales Entlassmanagement ist geboren und zusammen mit Charles Cote gründet Greschke 2017 in Berlin die Recare Deutschland GmbH.

Seither ist das Unternehmen kräftig gewachsen, etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt Recare aktuell, seit 2020 gibt es einen zweiten Standort in Paris, wo sich das Technologie-Unternehmen auf Krankenhausüberweisungen konzentriert. 2023 erfolgte die Übernahme der Pflegeplatzmanager GmbH, die einen weiteren Ausbau der Stellung am Markt bedeutete. Der Marktanteil der in Deutschland betreuten Krankenhaus-Betten wächst dadurch auf circa 50 Prozent. Die Krankenhäuser wiederum greifen nach erfolgter Kundenmigration auf 23.000 Nachversorger aus den Bereichen Pflege, Reha und Hilfsmittel/Homecare zurück.

Analoges vs. digitales Entlassmanagement

Beim Entlassmanagement geht es darum, für Patientinnen und Patienten, die nach ihrem Krankenhausaufenthalt eine rehabilitative oder pflegerische Nachsorge brauchen, möglichst schnell und reibungslos passende Anbieter zu finden.

Rund neun Prozent der Patientinnen und Patienten, die jedes Jahr ein Krankenhaus verlassen, benötigen eine Nachversorgung und damit ein Entlassmanagement, dass die richtigen Leistungserbringer in einem kurzen Zeitfenster identifiziert und diese ggf. mit den nötigen Daten versorgt. In den Krankenhäusern ist in erster Linie der Sozialdienst dafür verantwortlich. Doch einen großen Teil seiner Zeit verwendet er bis heute für weitgehend analoge Prozesse, was nicht selten dutzende Anrufe bei Nachsorge-Anbietern und die händische Übertragung von bereits vorhandenen Patientendaten bedeutet. Patienten wiederum müssen ihre Krankheitsgeschichte immer wieder von neuem erzählen.

Digitale Entlassmanagement-Plattformen, wie sie Recare anbietet, vereinfachen diesen Prozess erheblich: Relevante Patientendaten können über Schnittstellen direkt aus bestehenden Systemen – wie dem Krankenhausinformationssystem (KIS) – übernommen werden. Anschließend werden alle Anbieter mit einem passenden Leistungsprofil vorgeschlagen. Entweder fragen Sozialdienste zeitgleich alle an – oder sie gehen im Sinne des Wunsch- und Wahlrechts der Patienten gezielt auf einzelne Anbieter zu. Diese erhalten sofort eine Nachricht, werden aber nicht durch Anrufe oder Faxe unterbrochen, sondern bearbeiten die Anfragen gezielt dann, wenn es für sie passt. Der gesamte Prozess wird für alle automatisch dokumentiert.

Wirtschaftlichkeit: Kosten durch optimierte Verweildauer senken

In einer Ausgabe im Fachmagazin KU Gesundheitsmanagement (9/2023) schreiben Maximilian Greschke und Nico Gollnick dazu: „In einer Situation, in der Krankenhausmanager mit Kostenexplosionen und den beschriebenen Herausforderungen kämpfen und gleichzeitig nicht mehr viele Hebel zur Kostenreduzierung haben, wird Prozesseffizienz essenziell. Klassisches Entlassmanagement ist durch seine analogen Abläufe bisher prozessual gesehen immer eine Blackbox gewesen. Digitales Entlassmanagement, das mit Daten arbeitet und mit allen erforderlichen Systemen interoperabel ist, öffnet diese Box und macht bisherige Prozessprobleme sichtbar. Internationale und standardisierte Schnittstellen tauschen Daten automatisiert aus und ersparen dem Personal doppelten Eingabe- und Dokumentationsaufwand. Dadurch stehen alle erforderlichen Informationen rechtzeitig zur Verfügung und erleichtern die Suche nach einer passenden Anschlussversorgung. Außerdem kann durch Analyse von §21-Datensätzen aufgezeigt werden, wie individuelle Einsparpotenziale realisiert werden können. Richtig angegangen, kann über diesen datengetriebenen Entlassmanagement-Ansatz die Liegezeit verringert werden.“

Entwicklung der Plattform

„Wir bieten sowohl Krankenhäusern als auch Nachversorgern mit unserer Plattform eine echte Erleichterung an, die es ihnen ermöglicht, ihre Prozesse effizienter zu gestalten, wirtschaftlicher zu werden und ihre Mitarbeitenden merklich zu entlasten“, sagt Martin Camphausen, Head of Marketing and Corporate Communications bei Recare. An dieser Erleichterung arbeitet Recare seit sieben Jahren intensiv. Im zweiten Jahr nach der Gründung wurde die Plattform um die Möglichkeit, ältere Patienten in die Akutgeriatrie zu übermitteln, erweitert. Seit 2019 kann eine Aufnahme in Rehabilitations-Einrichtungen über Recare koordiniert werden. Mit der Möglichkeit zu parallelen Ansprachen aller passenden Nachsorgeeinrichtungen kann seit 2020 der Zeitaufwand innerhalb der Plattform nochmal erheblich reduziert werden.

KHZG als Digitalisierungs-Booster    

Mit Inkrafttreten des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) Ende des Jahres 2020 sind Krankenhäuser gesetzlich angehalten, sich zu digitalisieren. Dafür stehen insgesamt bis zu 4,3 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Die entsprechenden Projekte müssen jedoch bis Ende 2024 beauftragt und dementsprechend vorher beantragt werden. Spätestens ab 2027 drohen bei Nicht-Erfüllung der KHZG-Digitalisierungskriterien Sanktionen in Form von Geldstrafen, die bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes der jeweiligen Einrichtung betragen können.

„Unser Alltag ist deshalb seit Jahren immer stärker vom KHZG geprägt. Das Entlassmanagement ist ein Unterbereich von einer der insgesamt elf Säulen – den sogenannten Fördertatbeständen – des KZHG. Jede Säule repräsentiert einen Bereich, der digitalisiert werden muss. Die Fördermittel bringen den Krankenhäusern zwar finanzielle Mittel zur Umsetzung. Andererseits bringen die damit verbundenen Ausschreibungsverfahren eine hohe Komplexität mit sich“, erklärt Martin Camphausen.

Bis zum Ende der KHZG-Phase steht für Recare die Durchdringung des Marktes im Vordergrund. Denn auch über 2024 hinaus liegen die Ziele im Wachstum sowie bei der Optimierung der Plattform und auch die Arbeit an den KHZG-Projekten wird dann noch lange nicht abgeschlossen sein. Parallel dazu arbeitet Recare im Sinne des Business Developments derzeit konkrete Pläne aus, wie sich das Unternehmen in der Zeit danach aufstellen wird.

Dem Standort Berlin will Recare dabei treu bleiben. Martin Camphausen: „Mittlerweile arbeiten wir fast zu 100 Prozent remote und unser Team sitzt sowohl in ganz Deutschland als auch im EU-Ausland – nur etwa ein Drittel ist in Berlin ansässig. Die Stadt ist für Recare als Fixpunkt dennoch sehr wichtig. Hier haben wir in der Anfangszeit die optimalen Bedingungen gefunden, um erste Kunden zu gewinnen und zu wachsen. Dies gilt auch für die Zukunft, da sich hier ein wunderbarer Mix aus Entscheidern, anderen Akteuren im Gesundheitswesen und aus der Digitalisierung findet.“

 

Weiterführende Links: