Portrait: 10 Jahre World Health Summit in Berlin

Ohne Politik stößt die Medizin schnell an ihre Grenzen. Diese Erkenntnis brachte Professor Detlev Ganten dazu, den World Health Summit im Jahr 2009 ins Leben zu rufen – pünktlich zum 300. Geburtstag der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Seither ist das Ziel der jährlich stattfindenden Tagung, die Stimme der Wissenschaft zu stärken, um letztlich auch zu besseren politischen Entscheidungen beizutragen. In diesem Jahr treffen sich die internationalen Akteure aus allen Bereichen des Gesundheitswesens vom 14. bis 16. Oktober im Kosmos Berlin zum zehnten Mal – Zeit für einen Blick zurück und nach vorn.

Der World Health Summit gilt heute als eines der bedeutendsten Foren für globale Gesundheitsfragen. Er bringt Akteure aus unterschiedlichen Politikbereichen, Sektoren und Staaten zusammen: Staatsoberhäupter und Minister, führende Wissenschaftler, Vorstände von Industrieunternehmen sowie internationale NGOs. Aber auch Startups aus aller Welt und der Global Health-Nachwuchs nehmen aktiv an der Konferenz teil. 

Inhaltlich getragen wird der World Health Summit von der M8 Alliance of Academic Health Centers, Universities and National Academies, einem internationalen Netzwerk exzellenter Universitäten, Forschungseinrichtungen und den mehr als 130 weltweiten Akademien der Medizin und der Wissenschaften. Die „M8 Allianz“ wurde 2009 anlässlich des ersten World Health Summit gegründet und berät mit ihren Themen die G7/G8 und G20 Gipfel. Sie veröffentlicht jährlich zum Abschluss der Konferenz eine Erklärung und organisiert auch weitere Expertenmeetings zu unterschiedlichen Themen – in diesem Jahr etwa zu „Gesundheit von Migranten und Flüchtlingen“ oder „Naturkatastrophen und Gesundheit“.

Mit Enthusiasmus in die Hauptstadt

Gründer, Präsident und treibende Person ist Professor Detlev Ganten, einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der vorher unter anderem Vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch und später Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin war. „Mir ist schon relativ früh in meiner Laufbahn klargeworden, dass Gesundheit mehr ist als Medizin. Für ein gelungenes Leben in Gesundheit und Wohlbefinden müssen wir die Zusammenarbeit auf allen Ebenen national und international stärken. Mit dem World Health Summit wollen wir für diese holistische Sicht einen Beitrag leisten und laden die wichtigsten Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zum Dialog ein“, so Ganten. 

Anlässlich des 10. Jubiläums resümiert Peter Piot, Direktor der London School of Hygiene & Tropical Medicine: „Der World Health Summit bringt Leute zusammen, die im Bereich Global Health arbeiten und normalerweise nicht im selben Raum sitzen. Das an sich ist schon ein Erfolg und eine Notwendigkeit für künftige Erfolge.“ Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité, ergänzt: „Der World Health Summit ist eine Erfolgsgeschichte. Die wichtigste Entwicklung aus meiner Sicht ist, dass mittlerweile nicht nur ältere Leute wie ich daran teilnehmen, sondern dass sehr junge Menschen aus aller Welt nach Berlin kommen. Sie sind so enthusiastisch – besser könnte es nicht sein!“

Deutschland sieht sich in der Verantwortung

Traditionell steht die Veranstaltung unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker. Neben der Bundeskanzlerin werden in diesem Jahr unter anderem auch die Bundesminister Jens Spahn (BMG) und Gerd Müller (BMZ), der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sowie Bill Gates erwartet. Die Konferenz endet mit einer gemeinsamen Keynote-Session des Grand Challenges Meeting der Bill & Melinda Gates-Stiftung und des World Health Summit. 

„Das Spannende an Berlin ist, dass die Global-Health-Akteure hier zusammenkommen und dass im Moment viele neue Verbindungen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen entstehen. So bereitet das neu gegründete Zentrum der Charité für globale Gesundheit beispielsweise zurzeit Kooperationen mit der London School of Hygiene and Tropical Medicine und der Oxford University vor“, berichtet Professor Detlev  Ganten.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren zunehmend Verantwortung für globale Gesundheitsthemen übernommen, etwa mit dem Beschluss zur Einrichtung einer internationalen Plattform für Forschung und Entwicklung zu antimikrobiellen Resistenzen oder der Etablierung einer schnell einsetzbaren Expertengruppe zur Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten. Insbesondere ist es Deutschland mit dem Engagement von Bundeskanzlerin Merkel gelungen, globale Gesundheitsthemen in den Agenden der G7- und G20-Treffen fest zu verankern. Im April haben Deutschland, Norwegen und Ghana gemeinsam einen Brief an den WHO-Generaldirektor geschrieben und vorgeschlagen, dass die WHO zum diesjährigen World Health Summit einen „Globalen Aktionsplan“ für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 3 der Vereinten Nationen – „Gute Gesundheit und Wohlbefinden“ – vorlegen sollte. Die Vorstellung dieses Plans ist nun für den Abschluss der Konferenz am 16. Oktober 2018 in Berlin vorgesehen.

Der World Health Summit greift in jedem Jahr Themen auf, die die globale Gesundheitsgemeinschaft besonders beschäftigen. 2018 sind dies die drängenden Aufgaben im Rahmen der weltweiten Pandemie-Vorsorge, der Umgang mit Antibiotika-Resistenzen und der Zugang zu essenziellen Arzneimitteln. Aber auch Querschnittsthemen wie die digitale Revolution in der Gesundheitsversorgung und systemische Aspekte wie die Stärkung der Gesundheitssysteme weltweit und Gesundheit als Aufgabe für alle Politikbereiche stehen auf der Agenda.

Charité bietet eigene Sprechstunde

Insgesamt wird es diesmal 48 Sessions geben, in denen beispielsweise über Maßnahmen gegen die Verbreitung gefälschter und minderwertiger Arzneimittel, über Krankenhauspartnerschaften als Möglichkeit, die Versorgungsqualität in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verbessern, oder auch über die Herausforderungen von Big Data-Analysen in der biomedizinischen Forschung und Gesundheitsversorgung diskutiert wird. Bei der World Health Summit Night am 15. Oktober werden die Teilnehmer nicht nur gemeinsam feiern und die Gelegenheit zum Netzwerken haben, sondern es wird auch der Gewinner des Wettbewerbs „Startup Track“ ausgezeichnet. Zehn Start-ups aus aller Welt präsentieren an diesem Tag innerhalb von drei Minuten ihre Ideen und Businesskonzepte vor einer Jury und den Konferenzteilnehmern.

Als spezielles Angebot für die breite Öffentlichkeit veranstaltet die Charité zum 10. Jubiläum der Konferenz außerdem gemeinsam mit dem World Health Summit am 13. Oktober von 10:30 bis 16:30 Uhr die Charité-Sprechstunde, in der Professorinnen und Professoren der Charité die großen Volkskrankheiten erklären und Fragen des Publikums rund um die Gesundheit beantworten. „Besonders wichtig finde ich, dass sich all diese hochrangigen Kolleginnen und Kollegen Zeit nehmen, um mit den Teilnehmern über ihre persönlichen Fragen zu sprechen. Das stärkt das gegenseitige Vertrauen, und es lernen beide Seiten etwas davon – ganz besonders auch die Ärzte und Forscher!“, erklärt World Health Summit-Präsident Ganten. 

Neben dem World Health Summit als Hauptkongress in Berlin finden auch regionale Meetings in den assoziierten Ländern der verschiedenen Kontinente sowie thematische Expertentreffen statt, um kontinuierlich an Lösungen für die globalen Gesundheitsherausforderungen zu arbeiten. So arbeiteten die Global Health-Akteure im April beim regionalen Meeting im portugiesischen Coimbra unter anderem daran, die Übertragung von Innovationen in die reguläre Gesundheitsversorgung zu verbessern. Ziel ist und bleibt es, eine Kooperation über Sektoren, Grenzen und Politikbereiche hinweg zu fördern und globale Gesundheitsthemen im politischen Diskurs auf der Agenda zu halten. Im April 2019 wird das Regionale Meeting des World Health Summit im Iran stattfinden.