Massenspektrometrie: Forschung für verbesserte individualisierte Therapien

Über den Verlauf einer schweren Krankheit entscheidet auch die Therapie, die am Anfang einer Behandlung empfohlen wird. Je individueller sie auf die Patientin oder den Patienten abgestimmt ist, desto höher sind die Chancen auf einen Therapieerfolg. Die Massenspektrometrie hat das Potential die Therapieempfehlung präziser zu gestalten. Dieses Verfahren will der Forschungskern MSTARS in Berlin in die klinische Praxis integrieren.

 

Für Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen, wie etwa Krebs, ist der optimale Therapieansatz entscheidend, um ihre Heilungschancen zu erhöhen. Ein Verfahren, das bei der Auswahl der richtigen Therapie helfen kann, ist die Massenspektrometrie. An der Weiterentwicklung dieses Verfahrens und dessen Nutzung für die Identifizierung von Therapieresistenzen forschen seit über einem Jahr mehrere Berliner Institutionen aus dem Gesundheitsbereich im Projekt MSTARS (Multimodal Clinical Mass Spectrometry to Target Treatment Resistance). Beteiligt sind Forschungsgruppen der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) sowie Expertinnen und Experten vom Berlin Institute of Health (BIH), der Humboldt-Universität und dem Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik. „Die Bündelung der Berliner Massenspektrometrie Expertise durch die Beteiligung wissenschaftlicher und bioinformatischer Arbeitsgruppen mit Ärztinnen und Ärzten und industriellen Partnern, bildet eine erstklassige Basis, um die Anwendung der Massenspektrometrie in der klinischen Praxis zu realisieren“, erläuterte Prof. Dr. Matthias Selbach, Arbeitsgruppenleiter am MDC, zum Start des Forschungskerns. 

Vier Forschungskerne
Das Berliner Projekt ist einer von vier Forschungskernen, die im Rahmen der Fördermaßnahme „MSCorSys - Forschungskerne für Massenspektrometrie in der Systemmedizin“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. MSTARS bekommt für eine Laufzeit von vorerst drei Jahren eine Förderung von 5,7 Millionen Euro. Die anderen Forschungskerne sind in Heidelberg, Mainz und München angesiedelt. Geleitet wird das Projekt in Berlin von vier gleichberechtigten Koordinatoren: Prof. Dr. Matthias Selbach, Leiter der Gruppe Proteom-Dynamik am MDC, Prof. Dr. Markus Ralser, Leiter des Instituts für Biochemie der Charité, Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Direktor des Charité Comprehensive Cancer Centers (CCCC) sowie Prof. Dr. Frederick Klauschen, mittlerweile Leiter des Pathologischen Instituts an der LMU in München.

Massenspektrometrie als Weg zur individuellen Behandlung
Die Massenspektrometrie gibt Aufschluss über die molekulare Zusammensetzung einer Substanz. Sie kann eine Vielzahl von Biomolekülen identifizieren, charakterisieren und quantifizieren, die sich je nach Krankheitsbild und Individuum unterscheiden.

Lange Zeit half hauptsächlich die Analyse der Gene dabei, um komplexe Erkrankungen, wie eine Krebserkrankung, besser zu verstehen. Inzwischen ist klar, dass es nicht nur auf die Gene ankommt, sondern auch darauf, wie jene in Proteine übersetzt werden und diese miteinander interagieren – oder wie der Stoffwechsel bei einer Erkrankung funktioniert. Den Schlüssel dazu liefert die Massenspektrometrie. „Diese Technologie werden wir deshalb nutzen, um das Zusammenspiel krankheitsrelevanter Zellkomponenten besser zu verstehen und dadurch die Präzisionsmedizin, also die individuelle Behandlung von Patientinnen und Patienten, weiter zu verbessern“, sagte Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Direktor des CCCC zu Beginn von MSTARS im März 2020.

Forschung an Krebserkrankungen
„Ein wesentliches Ziel von MSTARS ist es die Technik der Massenspektrometrie für den klinischen Einsatz zu standardisieren und den Durchsatz zu steigern“, ergänzte Prof. Dr. Markus Ralser, Leiter des Instituts für Biochemie an der Charité. Das Verfahren wird zu Beginn auf das Anwendungsbeispiel der Kopf-Hals Tumore angewendet, eignet sich grundsätzlich aber für die Analyse verschiedenster Erkrankungen. Derzeit befindet sich MSTARS in der ersten Phase; die 14 beteiligten Arbeitsgruppen arbeiten mit präklinischen Modellen und retrospektiven Patientenproben. In der zweiten Phase werden die gewonnen Erkenntnisse durch die Analyse prospektiver Patientenproben validiert.

Ziel ist es, das Verfahren dahingehend zu optimieren, dass sich bestimmte Signaturen für das Ansprechen auf eine Therapie identifizieren lassen. Dazu werden die im Labor erhobenen Daten von der Bioinformatik verarbeitet, um potentielle Signaturen, die in Therapieempfehlungen übersetzt werden können, zu identifizieren. Dadurch soll die Wahl der Medikamente für die Therapie optimiert werden, sodass jede Patientin und jeder Patient von Anfang an ein Medikament erhält, das zum Therapieerfolg führt. Derzeit ist es allein durch genetische Analysen nicht möglich zu erklären, weshalb es bei einigen Patienten oder Patientinnen zu einem Therapieerfolg kommt und bei anderen nicht.

„Wir möchten die Gewebeproben per Massenspektrometrie untersuchen, um diese Patientengruppen auseinanderzuhalten und so die Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie im individuellen Fall zu vereinfachen“, fasste der Pathologe Prof. Dr. Frederick Klauschen im März 2020 zusammen.

 

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