Grüner werden durch Investitionen

Interview mit: Dr. med. Markus Müschenich Managing Partner Eternity.Health

 

Dr. Markus Müschenich gilt als einer der Experten für die Medizin der Zukunft. 2012 hat er zusammen mit dem Digital-Health-Unternehmer und Investor Christian Lautner die Life Science Technologie-Holding Eternity.Health gegründet. Dort sind mehrere Unternehmen der neuen Gesundheitswirtschaft unter einem Dach versammelt. Die Eternity.Health konzentriert sich zusammen mit ihren Tochterfirmen auf die Gründung, Inkubation und Finanzierung von Start-ups in der Gesundheitswirtschaft. Mit seinem nächsten Projekt widmet sich Markus Müschenich dem Anteil der Gesundheitsfürsorge am Klimawandel. Geplant ist der Green.Health Fund, ein Investmentfonds, der gezielt in Technologien und Verfahren investieren will, die die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen im Gesundheitssektor vorantreiben. Wir haben mit Markus Müschenich über den geplanten Fonds und die Nachhaltigkeit in der Gesundheitsbranche gesprochen.

1. Das Gesundheitswesen steht weltweit vor großen Aufgaben, daneben ist der Klimawandel eines der bestimmenden Themen der Gegenwart und Zukunft, der geplante „Green.Health“-Fonds bringt beide Themen zusammen. Wie kam es zu dem Fonds?

Der Klimawandel betrifft unser Gesundheitswesen gleich doppelt. Zum einen, weil die damit verbundenen Erkrankungen – von Hitzefolgen über neue Infektionskrankheiten bis hin zu Depressionen – zunehmen und zum anderen, weil mehr als 5 Prozent der Treibhausgase auf das Konto der Gesundheitswirtschaft gehen. Zum Vergleich: Die Luftfahrt ist für weniger als 3 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Gelöst werden kann dieses Problem im Gesundheitswesen natürlich nicht durch einen Verzicht, Patienten zu behandeln, sondern nur durch Innovationen, die helfen, diese katastrophale Klimabilanz rund um die Patientenversorgung relevant zu verbessern. Mit unserem Digital Health Fonds Heal Capital investieren wir in digitale Innovationen und sehen einen relevanten Hebel, die digitale Transformation voranzutreiben. Es lag also nahe, die Nachhaltigkeitstransformation der Gesundheitswirtschaft ebenfalls über einen Fonds zu fördern.

2. Wie nachhaltig ist die Gesundheitsbranche heute oder gibt es da sehr großen Nachholbedarf?

Die Gesundheitsbranche hat spät begonnen, sich ihrer Verantwortungslosigkeit zu stellen. Das Niveau mit dem agiert wird, ist noch niedrig. Etwas überspitzt gesagt, beschränken sich die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft weitgehend auf den Einkauf von grünem Strom, lassen Ihre Vorstände Elektroautos fahren und verweisen auf die Photovoltaik auf ihren Dächern. Das, was in der CO2-Bilanz dann übrig bleibt, wird entweder heruntergerechnet und ignoriert oder beispielsweise über das Pflanzen von Bäumen in Südamerika kompensiert. Positiv gesehen ist dies ein guter Anfang. Negativ betrachtet ist es nahe am Greenwashing. Notwendig wäre es, in der gesamten Wertschöpfungskette der Unternehmen gleichzeitig an der CO2 Reduktion zu arbeiten. Die Anzahl der Unternehmen, die dies tun, wächst ständig und zeigt, wie hoch der Innovationsbedarf bei der Nachhaltigkeitstransformation tatsächlich ist.

3. Wie groß wird der Fonds zunächst sein und wann wird es die ersten Investments geben?  

Der Green.Health Fonds peilt ein Volumen von 200 Millionen Euro an und steht am Anfang des Fundraisings. Entsprechend planen wir die ersten Investments Ende 2022 oder zu Beginn des nächsten Jahres.

4. In welche Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen wird der Fonds investieren?

Der Fonds wird in Unternehmen investieren, die Produkt- und Prozessinnovationen entwickeln, die dazu beitragen die CO2 Emissionen und alle weiteren negativen Umwelteinflüsse im Gesundheitswesen relevant zu verbessern. Der Fond fokussiert sich dabei auf die Bereiche Carbon Management, Circular Economy, sowie die Anpassung des Gesundheitswesens an die kommenden Klimaveränderungen.

Im Bereich Carbon Management sind das z.B. Unternehmen, die Scope 1 bis Scope 3 Emissionen bis auf Produkt- und Serviceebene effizient und automatisiert messen, berechnen und reporten können. Das Gesundheitswesen hat bis heute keinerlei benchmarkfähige Transparenz, um Handlungsoptionen zu identifizieren, zu bewerten und umzusetzen. Handlungsoptionen sehen wir unter anderem in der Intensivierung der Kreislaufwirtschaft: Healthcare ist ein produktintensiver Sektor, der bis heute die Potenziale von ressourceneffizienten Produktinnovationen kaum hebt. Daher liegt ein weiterer Investmentfocus auf Lösungen, die hier relevanten Einfluss nehmen, wie z.B. Sustainable Product-as-a-Service Plattformen oder klimaneutrale Produktinnovation wie z.B. dem effizienten Einsatz von nachhaltigen Kunststoffen.

Auch das Thema Offsetting ist für die Gesundheitswirtschaft hoch relevant: Studien zeigen, dass der Gesundheitssektor selbst mit größtem Einsatz seinen Carbon Footprint nur um ca. 50% reduzieren kann, was nicht ausreicht. Der Residual Footprint wird kompensiert werden müssen, um die nationalen und sektoralen Klimaziele zu erreichen. Deshalb wird der Fund auch in Offsetting Lösungen investieren, die den Anforderungen des Gesundheitswesens gerecht werden.

5. Wie kann das Bewusstsein in der Branche gestärkt werden

Um die Frage zu beantworten, wie das Bewusstsein der Gesundheitswirtschaft gestärkt werden kann, können wir auf die Erfahrungen aus der digitalen Transformation der Branche zurückgreifen. Wir brauchen zunächst Experten, die die Sprache des Gesundheitswesens und der Medizin sprechen – nur dann finden wir ernsthafte Zuhörer, die Lösungen auf den Weg bringen. Und wir benötigen Innovationen, deren Kraft beeindruckt. Vor allem aber brauchen wir eine Freude an der Nachhaltigkeits-Transformation, die auch in das Top-Management hineinwirkt. Die digitale Transformation wurde durch die Dynamik des Aufbruchs, verbunden mit einem neuen und positiven Lebensgefühl, getragen. Nachhaltigkeit verbinden die meisten heute allerdings eher mit Verzicht und der regulative Zwang lässt Assoziationen mit dem Datenschutz aufkommen. Wir brauchen dringend ein deutlich positiveres Narrativ, um das Bewusstsein der Verantwortlichen in die richtige Richtung zu bewegen. Auch deshalb heißt unser Slogan: Green is the new digital.

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