Charité leitet drei neue EU-Verbundprojekte

Mehr als zehn Millionen Euro für die Berliner Universitätsmedizin
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben die EU-Kommission mit der Qualität ihrer Forschungsvorhaben überzeugt: Im Rahmen des europäischen Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizon 2020“ werden jetzt drei Verbundprojekte unter Leitung der Charité gefördert, an sechs weiteren ist die Berliner Universitätsmedizin beteiligt. Sie erhält dafür insgesamt mehr als zehn Millionen Euro.

Die thematische Bandbreite der geförderten Projekte ist groß: Von der Etablierung einer neuen Behandlungsmethode gegen die Abstoßung von Transplantaten über die Simulation des Gehirns bis hin zur Entwicklung einer Plattformtechnologie für Gentherapien. Gemeinsam mit vielen europäischen Partnern werden die Forscherinnen und Forscher der Charité in den kommenden vier Jahren ihre innovativen Ansätze voranbringen. „Ein solcher Erfolg über unterschiedliche medizinisch-wissenschaftliche Bereiche hinweg zeigt einmal mehr die Forschungsstärke der Berliner Universitätsmedizin und ist für uns ein hervorragender Start in das Jahr 2019“, sagt Prof. Dr. Axel Radlach Pries, Dekan der Charité.

Die EU-Verbundprojekte im Einzelnen:

ReSHAPE
Organtransplantation, Stammzelltransfer und Autoimmunerkrankungen: In allen Fällen können überschießende Entzündungsreaktionen Organe und Gewebe der Betroffenen enorm schädigen – mit zum Teil tödlichen Folgen. Ein neuer Ansatz zur Behandlung, beispielsweise von Organempfängern oder Patienten mit Autoimmunerkrankungen, nutzt regulatorische T-Zellen, um das Immunsystem wieder in eine ausgewogene Balance zu bringen. Diese sogenannten Tregs verhindern natürlicherweise eine Überaktivierung der Entzündungskaskaden im Körper. Sie lassen sich aus dem Blut der Patienten isolieren, außerhalb des Körpers vermehren und funktionell stabilisieren. Injiziert man sie anschließend wieder zurück, kann es gelingen, die fehlregulierte Entzündungskontrolle wiederherzustellen und weitere Gewebeschäden zu verhindern. Die Prognose der Betroffenen lässt sich so deutlich verbessern.

Im Rahmen des Projekts ReSHAPE verfolgen Forschende eine Reihe von Ansätzen, die Effektivität dieser Zelltherapien zu verbessern – beispielsweise indem sie modernste Technologien wie die Genschere CRISPR-Cas9 nutzen, um neue Treg-Produkte zu entwickeln. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten, deren unerwünschte Entzündungsreaktionen derzeit noch nicht geheilt werden können, eine alternative Behandlungsmöglichkeit anzubieten. Geleitet wird das Vorhaben von Prof. Dr. Petra Reinke, Gründungsdirektorin des Berlin Center for Advanced Therapies (BeCAT) und Transplantationsmedizinerin am Berlin-Brandenburger Centrum für Regenerative Therapien (BCRT). Die EU-Kommission fördert das ReSHAPE-Projekt ab dem 1. Januar 2019 für vier Jahre mit insgesamt 13,1 Millionen Euro, wovon die Charité mehr als 4,1 Millionen Euro erhält.

VirtualBrainCloud
Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit sind die Symptome und der Krankheitsverlauf der Betroffenen oft sehr unterschiedlich. Deshalb sollten auch Diagnose und Therapie auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden. Im EU-Verbundprojekt VirtualBrainCloud wollen internationale Forscherteams nun eine cloudbasierte Neuroinformatikplattform etablieren, die das Gehirn personalisiert simulieren kann. Das Forschungsvorhaben unter Leitung von Prof. Dr. Petra Ritter von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité ist eine Erweiterung von „The Virtual Brain“. Mit dem Computerprogramm kann das Gehirn anhand seiner strukturellen Architektur und neuronalen Verbindungen simuliert werden. „Jetzt werden wir in die bestehende Plattform zusätzlich Daten zu molekularen Vorgängen integrieren“, erklärt Prof. Ritter. Die neue Plattform soll Ärztinnen und Ärzten in Zukunft die Entscheidungen zur individuellen Diagnose und Therapie von Menschen mit neurodegenerativen Krankheiten erleichtern. Das Verbundprojekt mit 17 Partnerinstitutionen ist am 1. Dezember 2018 gestartet und wird für vier Jahre mit insgesamt mehr als 15 Millionen Euro gefördert. Davon fließen fast zwei Millionen Euro an die Charité.

ENDOSCAPE
Mukoviszidose, Chorea Huntington oder die Bluterkrankheit – zahlreiche Krankheiten sind bislang noch immer nicht heilbar, weil sie durch einen Defekt in der Erbinformation hervorgerufen werden. Die Gentherapie könnte hier Abhilfe schaffen, allerdings sind zwei Probleme noch nicht überwunden: Zum einen müssen die therapeutischen Gene präzise zu bestimmten Zielzellen im Körper gelangen. Zum anderen sollen sie von diesen Zellen aufgenommen, aber nicht zerstört werden. Erste gentherapeutische Ansätze nutzen Viren als Fähre für die Gene. Diese Verfahren bergen jedoch erhebliche Risiken und lassen sich nicht auf das Einschleusen von anderen Biomolekülen übertragen. Ziel des Projekts ENDOSCAPE ist es daher, eine neue Technologie zu entwickeln, mit der nicht nur Gene, sondern auch andere therapeutische Biomoleküle ohne Virus-Fähren und effizient in Zielzellen eingeschleust werden können. In dem Verbundvorhaben unter Leitung von Prof. Dr. Hendrik Fuchs vom Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie der Charité möchten die Forscherteams dafür auf pflanzliche Naturstoffe, sogenannte Glycoside, zurückgreifen und eine Plattformtechnologie für die Gentherapie entwickeln, die nicht auf die Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes beschränkt ist. So könnten beispielsweise defekte Gene ersetzt oder repariert werden – oder Tumorzellen ließen sich durch Einschleusen spezieller Gene gezielt zerstören. Für das ENDOSCAPE-Projekt gehen von den 6,8 Millionen Euro Gesamtfördersumme ab dem 1. Januar 2019 für vier Jahre knapp 1,4 Millionen Euro an die Charité.

Beteiligungen an EU-Verbundprojekten
Die Charité ist an weiteren sechs Verbundprojekten, die durch das Horizon-2020-Programm gefördert werden, als Konsortialpartner beteiligt: ASCLEPIOS (eHealth), ATHENA (Endokrinologie), EUCANCan (Personalisierte Medizin), EJP RD (Seltene Krankheiten), GE Academy (Gender Equality) und PROTEIN (Ernährungswissenschaften). Die an der Charité angesiedelten Teilprojekte fördert die EU-Kommission für drei bis fünf Jahre mit insgesamt rund 2,6 Millionen Euro.