Berliner Versicherte in Chronikerprogrammen müssen 22 Prozent seltener ins Krankenhaus

Analyse der AOK Nordost zur Wirksamkeit von Disease-Management-Programmen (DMP)
Rund jede und jeder Fünfte in Berlin ist chronisch krank. Eine Auswertung der AOK Nordost zeigt nun, wie wichtig gerade für diese Menschen eine struktu-rierte ärztliche Behandlung ist: Wer als chronisch kranker Mensch an einem Disease-Management-Programm (DMP) teilnimmt, muss rund ein Fünftel deut-lich seltener ins Krankenhaus. Doch bei den Teilnahmequoten an den DMP-Programmen ist noch Luft nach oben.

 

Um die Mängel in der Chronikerversorgung zu beheben, wurden vor 20 Jahren Disease-Management-Programme (DMP) eingeführt. Sie sollen die Lebensquali-tät von chronisch kranken Menschen verbessern. Die Idee: Hausärztinnen und -ärzte erstellen eine standardisierte Dokumentation der Behandlung, vereinba-ren individuelle Therapieziele mit den Patientinnen und Patienten und fördern deren Eigeninitiative, um den Krankheitsverlauf zu verbessern. Für diese struk-turiertere und engmaschigere Behandlung der Betroffenen erhalten die Ärztin-nen und Ärzte eine gesonderte Vergütung. Die Patientinnen und Patienten ler-nen in Schulungen, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen. Und sie werden regelmäßig an anstehende Arzttermine erinnert.

Eine Auswertung der AOK Nordost zeigt nun: Menschen, die an Diabetes, der Koronaren Herzkrankheit, COPD oder Asthma leiden, können besser mit ihrer Krankheit leben, wenn sie an einem DMP-Programm teilnehmen. Im Schnitt mussten sie 22 Prozent seltener ins Krankenhaus als AOK-Versicherte, die nicht in ein DMP eingeschrieben sind.

Am wirksamsten bei Diabetikerinnen und Diabetikern und Herzkranken

Am meisten profitierten dabei AOK-Versicherte mit Typ 1-Diabetes, die an dem DMP-Programm teilnehmen. Sie mussten im Schnitt 29 Prozent seltener ins Krankenhaus als AOK-Versicherte mit Typ 1-Diabetes, die nicht in das Pro-gramm eingeschrieben sind.

Versicherte, die an Typ 2-Diabetes oder an Koronarer Herzkrankheit leiden, müssen im Schnitt 27 Prozent seltener ins Krankenhaus. Und auch Versicherte, die an Asthma (-15%) oder an der chronischen Lungenkrankheit COPD leiden (-10%), müssen dank DMP seltener ins Krankenhaus – was dem Gesundheitssystem unnötige Kosten erspart.

 

Teichert: Über 90.000 Berliner AOK-Versicherte profitieren

In Berlin sind rund 90.500 AOK-Versicherte in ein DMP-Programm eingeschrieben. „Viele chronisch kranke Menschen brauchen Unterstützung, um gut mit ihrer Krankheit leben zu können. Unsere Auswertungen zeigen nun, wie sehr unsere Versicherten von den DMP-Programmen profitieren. Dank der strukturierten Behandlung sind sie bestmöglich versorgt und müssen deutlich seltener ins Krankenhaus. Zudem lernen die Versicherten durch die Schulungen, wie sie selbst dazu beitragen können, ihren Gesundheitszustand zu stabilisieren“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost.

Insgesamt sind in Berlin 56 Prozent aller chronisch kranken AOK-Versicherten in ein DMP-Programm eingeschrieben.

DMP Diabetes senkt Amputationsrisiko für Füße um 16 Prozent

Am höchsten ist die Teilnahmequote mit 68 Prozent bei den Diabetikerinnen und Diabetikern. Diese Patientengruppe profitiert besonders stark vom DMP-Programm. Laut Deutscher Diabetes Gesellschaft müssen deutschlandweit jährlich rund 50.000 Amputationen durchgeführt werden, weil Betroffene ein Diabetisches Fußsyndrom entwickelt haben.

Eine frühzeitige, spezialisierte Betreuung und Behandlung kann das Risiko einer Amputation um 16 Prozent verringern. Das hat eine Auswertung eines Versor-gungsvertrages der AOK Nordost mit Berliner Diabetologinnen und Diabetolo-gen ergeben.

 

Auch wegen dieser guten Zahlen aus diesem Vertrag ist die Behandlung des Di-abetischen Fußsyndroms Anfang 2022 in das DMP Diabetes integriert worden. „Das ist wirklich ein Meilenstein, denn Prävention ist das Entscheidende, um schwere Verläufe zu verhindern oder abzumildern“, erläutert Dr. Jan Theil, Chefarzt für Diabetologie am Evangelischen Krankenhaus Herzberge in Berlin und Leiter der dortigen Fußambulanz. Im Interview auf dem AOK Nordost Forum erläutert der Chefarzt, wie das DMP Diabetes konkret dazu beiträgt, dass seinen Patientinnen und Patienten seltener die Füße amputiert werden müssen.

Der niedergelassene Diabetologe Dr. med. Ralf-Uwe Häußler aus Berlin-Zehlendorf sagt: „Das DMP hat Struktur in die Behandlung des Diabetes gebracht. Wir haben gelernt, diese Erkrankung braucht nicht nur den Einsatz, wenn es lichter-loh brennt, sondern diese Erkrankung braucht auch den Einsatz, wenn eigent-lich scheinbar Ruhe an der Front ist.“ Wie sein Patient Kurt Krämer seit 19 Jah-ren vom DMP Diabetes profitiert, berichtet er ebenfalls im AOK Nordost Forum.

 

Luft nach oben bei den Teilnahmequoten

Deutlich Luft nach oben bei den Teilnahmequoten an DMP gibt es laut der AOK-Analyse insbesondere bei Versicherten mit Asthma (42 Prozent) und COPD (47 Prozent). Auch Berliner Versicherte mit Sprachbarrieren und Menschen, die al-leine leben, nehmen zu selten an DMP-Programmen teil.

„Wir brauchen einen Modernisierungsschub für DMP-Programme. Digitale Schu-lungen und die Möglichkeit, sich elektronisch in die Programme einzuschreiben, könnten die Teilnahmequoten erhöhen. Auch bei den Ärztinnen und Ärzten müs-sen die Vorteile der DMP-Programme für ihre Patientinnen und Patienten wieder wahrnehmbarer werden. Unsere Analyse werden wir nutzen, um die DMP-Programme gemeinsam mit den kassenärztlichen Vereinigungen wieder prä-senter zu machen“, sagt AOK-Vorständin Daniela Teichert.

 

„Krankenkasse backstage“ – Talkformat zum Thema DMP

Warum sind DMP-Programme so wichtig - und wie helfen sie den Betroffenen von chronischen Erkrankungen? Im YouTube-Talkformat „Krankenkasse backs-tage“ sprechen Chantal Willers und Petra Riesner über die Bedeutung dieser strukturierten Behandlungsprogramme und stellen aktuelle Zahlen und Beispiele vor. Zudem klären sie die Frage, warum DMP ein wichtiger Versorgungsbaustein ist.