Autoimmune Gehirnentzündung: Neuartige Zelltherapie auf dem Weg zur Anwendung

Die Entwicklung neuartiger Medikamente scheitert meist nicht an fehlenden Ideen, sondern unter anderem an einer fehlenden Finanzierung der Herstellung unter den strengen Vorgaben der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice – GMP) für erste klinische Studien, wie sie für Gen- und Zelltherapeutika gelten. Aus diesem Grund unterstützt die Forschungstransfer gGmbH der Else Kröner Fresenius Stiftung jetzt sechs Projekte zur Produktion von Studienmaterial unter GMP-Bedingungen, darunter das Vorhaben eines Forschungsteams der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dabei sollen CAAR-T-Zellen zur Behandlung einer schweren Form der autoimmunen Gehirnentzündung zum Einsatz kommen.

Die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis ist eine seltene, aber schwer verlaufende Gehirnentzündung, bei der der Körper die eigenen Nervenzellen angreift. Forschende der Charité haben dafür einen neuartigen Behandlungsansatz entwickelt. Körpereigene Zellen werden mit einem sogenannten Chimeric Autoantibody Receptor (CAAR) ausgestattet, sodass sie die krankheitsauslösenden Zellen aufspüren und ausschalten können, während der restliche Schutz des Immunsystems erhalten bleibt.

Um diese präzise Therapie erstmals in einer klinischen Studie zu testen, muss allerdings eine GMP-konforme Genfähre auf Basis spezieller Viren hergestellt werden, die das CAAR-Erbgut sicher in die therapeutischen Zellen einbringt. Die jetzt bewilligte Förderung von rund 1,5 Millionen Euro soll diese Schlüsselkomponente finanzieren und damit den Weg für eine klinische Studie ebnen.

Hohe Wirksamkeit, wenig Nebeneffekte

„Wir erhoffen uns von diesem Schritt die Aussicht auf eine wirksamere Behandlung der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis mit weniger Nebenwirkungen und einer geringeren Rückfallrate für Betroffene“, sagt Dr. Momsen Reincke, Leiter einer Emmy-Noether-Forschungsgruppe an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. Das gezielte Entfernen von krankheitsauslösenden B-Zellen verspricht eine gute neurologische Erholung bei deutlich geringeren systemischen Nebeneffekten als sie von der herkömmlichen breiten Immunsuppression bekannt sind.

„Unser Ziel ist es, bereits im nächsten oder übernächsten Jahr in den neuen Reinraumsuiten des Berlin Center for Advanced Therapies (BeCAT) NMDAR-CAAR-T-Zellen herzustellen“, sagt Prof. Annette Künkele-Langer, Leiterin des BeCAT. „Diese Zellen können anschließend in einer geplanten Phase-I-Studie bei NMDAR-Enzephalitis eingesetzt werden.“ Stattfinden wird die klinische Studie in der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité in enger Kooperation mit der Klinischen Forschungsgruppe BecauseY, deren Aufgabe es ist, eine Brücke zwischen klinischer und Grundlagenforschung zu schlagen.

„Wir freuen uns, dass dieses Projekt, das vor sechs Jahren seinen Ausgang in unserem Labor genommen hat, nun den Weg in die Praxis gehen kann“, sagt Prof. Harald Prüß, Leiter der Forschungsgruppe Autoimmune Enzephalopathien der Charité und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). „Perspektivisch werden Patient:innen an der Charité eine Behandlung erhalten können, die Rückfälle verhindert, langfristige kognitive Schäden minimiert und die Lebensqualität nach einer solchen autoimmunen Hirnentzündung wiederherstellt.“


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