Ansteckung mit Masernviren: Andocken an zwei Zellrezeptoren notwendig

Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben an einem Tiermodell nachvollzogen, was für die hohe Ansteckungsrate des Masernvirus verantwortlich ist. Wie sie zeigen konnten, spielt die effiziente Interaktion mit zwei zellulären Rezeptoren eine entscheidende Rolle bei der Übertragung der Infektionskrankheit. Diese Erkenntnisse könnten klinische Bedeutung in der Therapieentwicklung gewinnen. Über die Forschungsergebnisse berichtet Journal of Virology in seiner Online-Ausgabe vom 23. Mai 2018 abends

Das Masernvirus ist für Menschen hoch ansteckend, bei Kontakt mit einer infizierten Person liegt die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, bei mehr als 90 Prozent, sofern man nicht geimpft ist oder die Masern bereits durchgemacht hat. Trotz derzeitiger Bemühungen, das Masernvirus auszurotten, kommt es aufgrund einer nicht ausreichenden Durchimpfungsrate der Bevölkerung immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen. Deutschland ist in Europa sogar inzwischen das Schlusslicht bei der Masernelimination . So erkrankten im Jahr 2017 in Deutschland fast dreimal so viele Menschen an Masern wie in 2016. Insgesamt waren es in 2017 929 gemeldete Fälle.

Das Masernvirus gehört wie das in dieser Untersuchung verwendete hoch infektiöse Hundestaupevirus zu der Gruppe der Morbilliviren. Bekannt ist, dass die Viren bei der Infektion und Vermehrung im infizierten Wirt mit zwei unterschiedlichen Rezeptoren auf den Zellen des Wirts interagieren. Es wird angenommen, dass Masernviren bei der Ansteckung erst an einen Rezeptor auf Immunzellen andocken, sich hier weiter vermehren und später an einen zweiten Rezeptor auf Zellen der Atmungswege andocken und über diese auf den nächsten Wirt übertragen werden. Wenig ist dagegen darüber bekannt, inwieweit die Interaktion zwischen Virus und einem oder beiden Zellrezeptoren für die Übertragung des Erregers erforderlich ist. Die Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen bei Masern ist auch deshalb schwierig, weil der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Dr. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, haben für die Erforschung der Morbilliviren ein Ersatzmodell entwickelt: Sie nutzen Frettchen, die hochempfänglich für den engen Verwandten des Masernvirus, das Hundestaupevirus, sind.

Um die Bedeutung der Rezeptorinteraktionen für die Übertragung zu ermitteln, infizierten die Forscher in Zusammenarbeit mit Forschern der Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA, Frettchen mit dem natürlichen Hundestaupevirus oder mit Virusmutanten, die nicht länger in der Lage waren, mit einem der beiden zellulären Rezeptoren zu interagieren. Wie erwartet infizierten sich die Frettchen, die mit dem natürlichen Hundestaupevirus in Kontakt kamen, und erkrankten. Dabei übertrugen bereits erkrankte Tiere das Virus am effizientesten. Dagegen wurden genetisch veränderte Viren, die nur an einen der beiden Rezeptoren andocken konnten, nur in Einzelfällen übertragen und erzeugten keine Krankheit.

Die Forschungsergebnisse belegen die Bedeutung der Interaktion mit den zellulären Rezeptoren für die Übertragung von Morbilliviren. Sie ist für die Weiterverbreitung der Erkrankung von zentraler Bedeutung. Klinisch könnten diese Erkenntnisse genutzt werden, um Wirkstoffe zu entwickeln, die gezielt diese Interaktion unterbinden. Ein Vorteil einer solchen Strategie: Hier ist die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlich. Profitieren könnten hiervon Ungeimpfte nach Kontakt mit Masernerkrankten.
Der beste Schutz vor Masern ist und bleibt jedoch die Impfung.

Originalpublikation
Sawatsky B, Cattaneo, von Messling V (2018): Canine Distemper Virus Spread and Transmission to Naive Ferrets: Selective Pressure on SLAM-Dependent Entry
J Virol [Epub ahead of print].
DOI: doi:10.1128/JVI.00669-18

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