Im Porträt: Caspar Health

Lange Wartezeiten für die Nachsorge-Therapie nach dem Aufenthalt in einer Reha-Klinik können vieles von dem bereits Erreichten wieder rückgängig machen. Das Berliner eHealth-Unternehmen Caspar Health hat deshalb eine digitale Lösung für eine sektorübergreifende Versorgung entwickelt, die nicht nur Anwender, sondern auch Investoren überzeugt: Kürzlich konnte das Unternehmen neun Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde einwerben.

 

Ob nach einem Unfall, einem Herzinfarkt oder einer Operation – der Weg der Rehabilitation ist in Deutschland vorgezeichnet: Auf den Klinikaufenthalt folgt die Reha-Klinik und danach geht es in die ambulante oder häusliche Anschlussrehabilitation (AHB). Doch der Übergang von der Reha zur AHB dauert oft lang mit der Gefahr, dass viele der während des Reha-Aufenthalts gewonnenen Fähigkeiten wieder verloren gehen. Ein Problem, an dessen Lösung Caspar Health seit seiner Gründung 2016 erfolgreich arbeitet.

 

Lange Wartezeiten in der Reha als Gründungsimpuls

„Damals hatte die Deutsche Rentenversicherung – als wesentlicher Kostenerstatter von Reha-Maßnahmen – evaluiert, wie effektiv das deutsche Reha-System arbeitet. Im Ergebnis stand, dass die über 2 Millionen Patientinnen und Patienten, die eine Reha im Jahr durchlaufen, circa sechs Wochen auf einen Anschlusstermin warten, wenn sie wieder zuhause sind. Durchschnittlich verlieren sie in dieser Zeit bis zu 80 Prozent der Fähigkeiten, die sie in der Klinik erlernt haben. Weiterhin wurde festgestellt, dass darin auch ein Grund liegt, aus dem überhaupt nur 14 Prozent ihre gesamte Reha zu Ende führen“, erzählt Mitgründer Maximilian von Waldenfels.

 

Das war der Impuls, aus dem sich die drei Gründer Benjamin Pochhammer, Maximilian Michels und Maximilian von Waldenfels zusammenfanden, um eine digitale Lösung für die Reha zu finden. Benjamin Pochhammer und Maximilian von Waldenfels kannten sich bereits vom Studium und hatten zu diesem Zeitpunkt schon ein Start-up im Logistikbereich gegründet und verkauft. Maximilian Michels wiederum brachte die Expertise im Bereich Rehabilitation mit. „Dann haben wir die Sache auf den Weg gebracht und sind heute Marktführer in Deutschland“, sagt von Waldenfels.

 

So funktioniert Caspar Health

Das Konzept: Caspar Health stellt eine Software zur Verfügung, mit deren Hilfe medizinische Einrichtungen Therapiemaßnahmen mit ihren Patientinnen und Patienten digital durchführen können. Die Software wird nur an Kliniken verkauft, die damit ihr analoges Angebot auch digital abbilden können – etwa in der Bewegungstherapie, dem Wissensmanagement oder der Entspannung. Das fängt bereits in der Klinik an und setzt sich nach dem Aufenthalt fort. Indem sie eine App oder ihren Computer nutzen, können Patientinnen und Patienten anstatt beispielsweise drei Wochen auch über sechs Monate hinweg durch eine Klinik betreut werden. So werden sie vor-, während- und nach der Rehabilitation – unabhängig von Ort und Zeit – versorgt. Diese sektorübergreifende Versorgung mit Therapiemaßnahmen soll den Therapieerfolg nachhaltig sichern.

 

Ganz auf sich gestellt sind Reha-Patientinnen und -Patienten in der Nachsorge-Phase dabei nicht. Die Plattform stellt einen ständigen Kontakt mit Therapeuten und Therapeutinnen sicher. Ebenso besteht die Möglichkeit, sich während einer Übung zu filmen und das Video an den zuständigen Therapeuten oder der Therapeutin zu schicken. Weiterhin ist eine Verbindung mit sogenannten Fitnesstrackern, wie etwa einer Uhr für das Smartphone, möglich. Darüber können Daten abgerufen und ausgewertet werden.

 

Nachfrage und Akzeptanz während der Pandemie gestiegen

Die Nachfrage von medizinischen Einrichtungen nach der digitalen Reha ist durch die Pandemie gestiegen. Den bisherigen Erfahrungen von Caspar Health zufolge sehen jene Kliniken, deren gesamtes Personal dem Thema „digitale Therapie“ positiv gegenübersteht und das Therapieangebot motiviert vermittelt, die größten Erfolge. Allerdings zeigt sich mit dem Nachlassen der Coronabeschränkungen auch der Trend, dass Patientinnen und Patienten wieder mehr Face-to-Face Termine wahrnehmen möchten. Eine Herausforderung, der sich Caspar Health zukünftig stellen will, unter anderem durch die Erweiterung der Inhalte in der Plattform. Stück für Stück sollen in immer mehr Bereichen ganze Heilungsprozesse abgebildet werden.

 

Erfolgreiche Finanzierungsrunde

Gestärkt dafür wurde der Marktführer in Deutschland im Bereich der digitalen Reha jüngst durch eine erfolgreiche Serie-B-Finanzierungsrunde, in der er neun Millionen Euro von dem auf Software-Scale-Up spezialisierten Investor Frog Capital einwerben konnte. Damit wollen die aktuell 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Digital-Health-Unternehmen und vor allem das Produkt weiterentwickeln. Denn 135 Kliniken haben derzeit die Zulassung Caspar Health in der Nachsorge anzubieten, mit dem System an sich arbeiten bereits 250 Kliniken, die nach und nach auch eine Zulassung erhalten. Die Plattform betreut 303.000 aktive Patientinnen und Patienten, die bereits über eine Millionen Übungen absolviert haben. Wenn sich der Service von Caspar Health noch stärker am deutschen Markt etabliert hat, sollen in Zukunft auch internationale Märkte erschlossen werden, sagt Max Waldenfels.

 

Ein praktisches Thema derzeit ist die Long-Covid-Symptomatik. Hier versucht Caspar Health, seine bestehenden Inhalte zur Atemtherapie auszubauen, um so sein Long-Covid-Therapie-Konzept bestmöglich aufzustellen. Künftig könnte auch das gesamte Leistungsspektrum erweitert werden. Caspar Health wird bisher hauptsächlich im klassischen Reha-Bereich genutzt, etwa bei der Nachsorge von orthopädischen Fällen oder Herzinfarkten. Durch den demografischen Wandel könnten zukünftig auch Übungen für ältere Menschen im häuslichen Umfeld eine wichtigere Rolle spielen, zum Beispiel um altersbedingten Erkrankungen entgegenzuwirken. Hierzu arbeitet das deutschlandweit tätige Unternehmen in zwei Forschungsprojekten in Bayern und Thüringen mit Universitäten zusammen.

 

Als Standort bleibt Berlin für Caspar Health jedoch unschlagbar, sagt Maximilian von Waldenfels: „Berlin ist und bleibt in Deutschland der Top-Standort, wenn man ein Tech-Unternehmen aufbauen möchte. Ein wesentlicher Faktor ist die Verfügbarkeit von Talenten, hier gibt es eine sehr vielfältige Basis von gut ausgebildeten Leuten. Hinzu kommt die Finanzierung. In Berlin sind sehr viele Investoren vor Ort, mit denen sich immer wieder die Wege kreuzen, so bleibt man im Gespräch und es klappt mit der ein oder anderen Finanzierungsrunde.“

 

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