Neue Erkenntnisse zu Immunzellen im Gehirn - Charité-Forschende identifizieren Protein CLIC1 als zentralen Schalter in Mikroglia – den Immunzellen des Gehirns
Welche wissenschaftliche Fragestellung liegt Ihrer Studie zugrunde?
Mikroglia sind die angeborenen Immunzellen des Gehirns und hauptverantwortlich für dessen Schutz. Bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, mittels vieler hochbeweglicher Zellfortsätze das umliegende Hirngewebe permanent abzutasten und zu überwachen. So erkennen sie frühzeitig Störungen, beseitigen Zellreste oder potenzielle Erreger und sichern das Gleichgewicht im Hirngewebe. Wie genau die Beweglichkeit der Fortsätze und etwaige Immunantworten auf schädliche Einflüsse gesteuert werden, ist jedoch nur unvollständig verstanden und war Hauptanliegen unserer Studie.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben die Beweglichkeit der Mikroglia im Gehirngewebe der Maus mittels sogenannter Multiphotonenmikroskopie systematisch untersucht. Zusätzlich verwendeten wir ein Mausmodell mit implantierter menschlicher Mikroglia sowie menschliches Gehirngewebe, das im Rahmen neurochirurgischer Eingriffe entfernt und für Forschungszwecke freigegeben wurde. Anhand pharmakologischer und genomischer Analysen haben wir das Protein Chloride Intracellular Channel 1 (CLIC1) identifiziert und ein CLIC1-defizientes Mausmodell generiert, um dessen Rolle für die Fortsatzbeweglichkeit und Immunantwort der Mikroglia zu studieren.
Was haben Sie herausgefunden?
Wir konnten zeigen, dass CLIC1 die Beweglichkeit und Verästelung der mikroglialen Fortsätze reguliert und somit ein zentraler Faktor für die stete Überwachung und den Schutz des Hirngewebes ist. Mechanistisch deuten unsere Befunde darauf hin, dass CLIC1 als Gerüstprotein die Zellfortsätze stabilisiert. Zudem steuert CLIC1 die Freisetzung des stark entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin-1β von aktivierter Mikroglia. Diese Ergebnisse konnten wir in Mikroglia des Menschen bestätigen.
Was hat Sie überrascht?
Der Name Chloride Intracellular Channel 1 täuscht: Wir konnten zeigen, dass, entgegen der Bezeichnung, CLIC1 in Mikroglia nicht als ein Ionenkanal arbeitet, der Chloridionen über die Zellmembran transportiert, sondern seine Aufgaben als Strukturprotein und als Enzym erfüllt.
Welches Fazit können Sie ziehen?
CLIC1 ist wichtig im gesunden sowie im erkrankten Gehirn. Mikroglia sind an fast allen neurologischen Erkrankungen beteiligt und beeinflussen deren Verlauf entscheidend. Dabei spielen vor allem entzündliche Prozesse eine maßgebliche Rolle. Unsere Erkenntnisse zur Kontrolle der Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe durch CLIC1, das nahezu ausschließlich in Mikroglia im menschlichen Gehirn vorkommt, könnten daher von großer therapeutischer Bedeutung sein, um übermäßige Entzündungen im Gehirn künftig gezielt einzudämmen.
Quellenangabe
Rifat & Bickel et al. The chloride intracellular channel 1 (CLIC1) is essential for microglial morphodynamics and neuroinflammation. Science Advances 2025 October 22. DOI: 10.1126/sciadv.ads9181
Kontakt
Prof. Christian Madry
Institut für Neurophysiologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Links
- Link zur Originalpublikation auf der Webseite von Science Advances
- Link zur Charité-Webseite der AG Madry
Quelle: Charité