Fortschritt bei Blasenkrebs im Frühstadium

Erfolgreiche klinische Studie auf ESMO-Kongress in Berlin vorgestellt

Eine zusätzliche Immuntherapie macht bei frühzeitig erkanntem Blasenkrebs den Unterschied. Wie Forschende unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin in einer umfassenden klinischen Studie zeigen konnten, lassen sich bei Patient:innen, deren Erkrankung noch nicht in die Blasenmuskulatur vorgedrungen ist, Rückfälle und aggressivere Tumorvarianten mit einer ergänzenden Immuntherapie deutlich reduzieren. Sie erhielten die intravenöse Zusatztherapie im ersten Jahr der zweijährigen Standardtherapie, einer lokalen Immuntherapie. Das Risiko für ein Wiederkehren oder Fortschreiten der Erkrankung sank um 32 Prozent, einhergehend mit einem Erhalt des Organs und damit einem wesentlichen Teil der Lebensqualität. Die Studie ist im renommierten Fachmagazin The Lancet* veröffentlicht.

Juliane Weiß ist eine Teilnehmerin der jetzt vorgestellten Studie an der Charité. Sie ist 41 Jahre alt, als ein Tumor in ihrer Blase entdeckt wird. Der Krebs befindet sich in einem frühen Stadium und hat das Muskelgewebe noch nicht erreicht. Aufgrund seiner Merkmale wird er allerdings als hochriskant eingestuft. Das bedeutet, die Krankheit kann schnell voranschreiten, trotz mehrfacher Behandlung erneut auftreten und immer wieder Operationen mit sich bringen. Im schlimmsten Fall droht ein Verlust der Harnblase. Die Sport- und Biologielehrerin erhält die Diagnose 2018, ihre Kinder sind zu diesem Zeitpunkt knapp vier und sieben Jahre alt, die Einschulung der älteren Tochter steht kurz bevor.

Blasenkrebs ist mit mehr als 614.000 diagnostizierten Fällen pro Jahr die neunthäufigste Krebserkrankung weltweit. Ein überwiegender Teil, rund 70 Prozent, wird bereits im Frühstadium erkannt. Davon etwa die Hälfte sind Hochrisikopatient:innen wie Juliane Weiß. Die derzeitige Standardtherapie sieht eine Entfernung des Tumors vor, gefolgt von einer Immuntherapie über zwei Jahre, die direkt in die Blase eingebracht wird und die körpereigenen Zellen zur Tumorabwehr anregen soll. Bei bis zu 80 Prozent der Patient:innen tritt die Krankheit dennoch innerhalb von fünf Jahren erneut auf.

Nachdem der Tumor bei Juliane Weiß entfernt worden war, vermittelt der behandelnde Arzt die Patientin an die Charité. Hier hatte gerade eine klinische Studie für Hochrisikopatient:innen mit Blasenkrebs im Frühstadium begonnen. „Unser Ziel in dieser Studie war es, die Standardtherapie zu verbessern. Einige hochriskante Formen von Blasenkrebs kehren bereits sehr früh wieder. Das wollen wir natürlich verhindern, um die Blase zu erhalten und letztendlich auch das Leben“, sagt Prof. Maria De Santis, Sektionsleiterin der interdisziplinären Uro-Onkologie an der Charité. „Um das zu erreichen, haben wir nach einer optimalen Therapiekombination gesucht. Wir haben uns für eine zusätzliche Immuntherapie entschieden, die sich bereits bei Lungen-, Gallen-, Magen- und auch Blasenkrebs in fortgeschrittenen Stadien bewährt hat und nicht nur lokal in der Blase, sondern im Immunsystem des Körpers wirkt.“

 

Mehr als 1000 Patient:innen konnten Maria De Santis und ihre Kolleg:innen an der Charité und an 116 weiteren onkologischen Zentren in 12 Ländern für die Teilnahme an einer großangelegten Phase-III-Studie gewinnen. Es galt zu prüfen, ob die zusätzliche Gabe des bereits bekannten Immuntherapeutikums auch bei Blasenkrebs in frühen Stadien sicher und wirksamer ist als die bisherige Behandlung. „Die Ergebnisse unserer Studie sind äußerst erfreulich. Eine Ergänzung der Standardtherapie um die intravenös verabreichte Immuntherapie über ein Jahr senkt das Risiko für ein Wiederkehren der Erkrankung um 32 Prozent. Zwei Jahre nach der Behandlung waren noch immer mehr Patient:innen krankheitsfrei als ohne zusätzliche Immuntherapie“, so die leitende Prüfärztin. Eine Kombination beider Therapien hat sich als sicher und verträglich erwiesen.

Der langfristige Nutzen einer effektiven Behandlung ist im Frühstadium einer Krebserkrankung für Patient:innen besonders groß. Studienteilnehmerin Juliane Weiß ist heute, knapp sieben Jahre nach der Diagnose, krankheitsfrei. „Mir geht es absolut gut und ich kann alles machen. Für mich war die Studie ein Glücksfall. Sicher ist eine solche Behandlung anstrengend. Aber die engmaschige Betreuung und die regelmäßigen Kontrollen haben mir viel Sicherheit gegeben. Ich würde mich immer wieder so entscheiden.“
 

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