Mit Expertise und Mut – MyoPax startet am Zukunftsort Berlin-Buch

MyoPax entwickelt regenerative Therapien für bisher unheilbare Muskelkrankheiten. Ein Interview mit den Gründerinnen, Prof. Dr. med. Simone Spuler und Dr. med. Verena Schöwel-Wolf, CEO

 

MyoPax ist aus dem Max Delbrück Center und der Charité hervorgegangen. Was zeichnet Ihr Start-up aus?

Dr. Schöwel-Wolf: Muskelerkrankungen können die Lebensqualität dramatisch senken und lebensbedrohliche Folgen haben. In der Arbeitsgruppe von Prof. Simone Spuler am Experimental and Clinical Research Center (ECRC) hat unser Team eine innovative Stammzelltechnologie entwickelt, die das fundamental ändern könnte. Mit der neuen Methode ist es jetzt möglich, reine und hochregenerative Muskelstammzellen herzustellen, die das Potenzial haben, einen menschlichen Muskel und dessen Stammzellen-Pool langfristig wiederaufzubauen. Wir verbinden Zell- und Gentechnologie und entwickeln erstmals Therapien für lokale Muskeldefekte, akuten Muskelschwund und genetisch bedingte Muskeldystrophien, die bisher nicht heilbar oder nicht ausreichend behandelbar sind.
Prof. Spuler: Unser Start-up beschreitet völlig neue Wege, das erfordert Mut. Unser Modell gibt noch nicht. Aber unser Team verbindet seit vielen Jahren Muskel-Forschung und die Arbeit in der Hochschulambulanz für Muskelkrankheiten. Es ist klinisch und wissenschaftlich erfahren und verfügt über die nötige regulatorische sowie Herstellungsexpertise.
 

Wie wurden Sie bei der Ausgründung unterstützt?

Dr. Schöwel-Wolf: Das Max Delbrück Center hat unser Projekt in seinem Inkubator mit den Programmen PreGoBio und SPOT vorangetrieben. Die Therapieentwicklung wurde über das SPARK-Programm des Berlin Institute of Health (BIH) elementar gestärkt und beschleunigt. Die Unterstützung reichte von der Technologieplattform des ECRC über den Helmholtz-Validierungsfonds, die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung und die Stiftung Gisela-Krebs bis hin zum Bundesministerium für Bildung und Forschung, das die erste klinische Studie finanziert. Bei der Patentierung haben uns Ascenion und der Technologietransfer der Charité begleitet.
 

MyoPax hat die Aufnahme in den Inkubator der Stiftung BioInnovation Institute (BII) in Kopenhagen geschafft.

Dr. Schöwel-Wolf: Wir sind sehr froh, ein zusätzliches inspirierendes Netzwerk in Europa gefunden zu haben. Über unsere zweite Firma MyoPax Denmark ApS haben wir von der Stiftung BII ein Wandeldarlehen über 1,3 Millionen Euro erhalten. Das ist der Startpunkt, um MyoPax zu einem international wettbewerbsfähigen Unternehmen aufzubauen. Die BII unterstützt uns zusätzlich strategisch bei der Geschäftsentwicklung.
 

Mit welchem Projekt starten Sie?

Dr. Schöwel-Wolf: Wir werden 2023 eine Studie beginnen, die auf eine seltene Krankheit von Kindern fokussiert, bei der der Blasenschließmuskel unvollständig ausgebildet ist. Dieser Muskeldefekt beruht auf einer verzögerten Zellmigration in der embryonalen Entwicklung und bewirkt eine lebenslange Inkontinenz. Wir wollen diesen Muskel wiederherstellen, indem wir Muskelstammzellen aus einer Muskelbiopsie herstellen und sie dort injizieren, wo sie fehlen. Weil es sich um einen definierten Muskeldefekt handelt, ist diese Krankheit gut geeignet, um die Sicherheit und Wirksamkeit unseres therapeutischen Ansatzes erstmalig zu prüfen.
Prof. Spuler: Dazu kommt, dass bei seltenen Erkrankungen eine vorläufige Marktzulassung bereits nach einer ersten klinischen Studie beantragt werden kann. Seltene Krankheiten sind von den Zulassungsbehörden besonders geschützt, insbesondere vor Wettbewerbern. 2026 werden wir diese erste Studie abgeschlossen haben.
 

Welche Meilensteine sollen folgen?

Prof. Spuler: Wir entwickeln drei Plattformen. Die erste Technologie arbeitet mit patienteneigenen natürlichen Muskelstammzellen, um muskuläre Defekte zu beheben, die nicht auf einer genetischen Störung beruhen. Die zweite Plattform entwickeln wir für erblich bedingte Muskelkrankheiten. Hier wollen wir einzelne Muskeln mit patienteneigenen Zellen therapieren. Der genetische Defekt der Zellen wird dabei außerhalb des Körpers mittels Gene-Editing korrigiert. Anschließend werden die geheilten Zellen in den Muskel injiziert. So wird für jeden Patienten ein eigenes Therapeutikum hergestellt. Die dritte Plattform ist noch am weitesten entfernt von einer klinischen Studie. Hier werden die Muskelstammzellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen generiert. Grundlage dafür sind Blutzellen, die patientenunabhängig in hoher Zellzahl verfügbar sind. Somit ist das Verfahren schneller und kostengünstiger.

Interview: Christine Minkewitz / Campus Berlin-Buch GmbH