Interview | Vivantes & Charité - Universitätsmedizin Berlin

Vernetze Kliniken für eine bessere Versorgung

 

 

     

    Interview mit:

    • Dr. med. Mina Baumgarten, Leitung Ressort Entwicklung Krankenversorgung und Qualität bei Vivantes;
    • Martin Peuker, Chief Information Officer sowie Leiter des Geschäftsbereichs IT der Charité - Universitätsmedizin Berlin;
    • Nils Alwardt, Ressortleiter IT und Digitalisierung bei der Vivantes

    Seit 2019 haben Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH schrittweise eine gemeinsame Infrastruktur zum digitalen Austausch strukturierter Behandlungsdaten von Patientinnen und Patienten in Betrieb genommen. Dieses Konzept der digitalen Vernetzung wird jetzt mit weiteren Kliniken in Berlin ausgebaut. Wir haben mit Verantwortlichen wie Martin Peuker von der Charité sowie Dr. med. Mina Baumgarten und Nils Alwardt von Vivantes über den aktuellen Stand des Projektes und die weiteren Pläne gesprochen.

    1. Kommt jetzt mit dem Ausbau der digitalen Vernetzung die elektronische Patientenakte (ePA) der Berliner Kliniken? 

    Nils Alwardt: Wir erfinden keine spezifische elektronische Patientenakte für Berlin, sondern schaffen eine plattformbasierte Möglichkeit, Patient*innendaten zwischen den beteiligten Kliniken auszutauschen. Es werden nicht nur eingescannte Dokumente wie zum Beispiel Arztbriefe übertragen, sondern auch maschinenlesbare Daten, die direkt ins jeweilige Krankenhaus-Informationssystem (KIS) eingespielt werden können und so den Behandlungsteams standortübergreifend direkt zur Verfügung stehen. Dieser Plattformgedanke ist dabei Herstellerneutral und ermöglicht insbesondere den Austausch zwischen unterschiedlichen Systemen.

    Martin Peuker: Ziel unserer Initiative ist es, einen Datenaustausch der Kliniken in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg zu etablieren. Dies unterstützt vor allem die Primär- und Sekundärnutzung der Patientendaten. Die Umsetzung erfolgt komplementär zu den nationalen Vorgaben des Bundesministeriums für Gesundheit.

    Mina Baumgarten: Im Fokus steht die optimale, trägerübergreifende Versorgung der Patient*innen: Relevante Informationen beispielsweise zu Vorerkrankungen, Vitaldaten und Medikation, die in einem anderen Krankenhaus erfasst wurden und noch viel wichtiger – die vor Ort erfolgten Untersuchungen, können sofort verwendet werden. Das erspart wertvolle Zeit, mehrfache Untersuchungen und wiederholte Anamnesegespräche. Voraussetzung dafür ist, dass wir Prozesse und Datenerhebung an den Standorten einander angleichen. Das ist viel Arbeit an einem gemeinsamen Verständnis von Prozessen und einer verlässlichen Übersetzung in internationale Standards. Wir sind überzeugt, dass es so gelingen kann, ergänzend zur Ausreifung der nationalen ePA zeitnah insbesondere für den stationären Behandlungskontext ein gutes Werkzeug für die Kliniker*innen zu schaffen.

     

    2. Was macht die Kooperation zum digitalen Austausch der Behandlungsdaten in Berlin so besonders?  

    Nils Alwardt: Besonders ist, dass zwei große Krankenhausträger – Charité und Vivantes – diese Initiative zur Kooperation angestoßen haben. Und zwar im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten und ganz besonders der Berliner Bevölkerung. In diesem Jahr haben sich nun insgesamt 15 Klinikträger der neuen Zusammenarbeitsinitiative angeschlossen. Sie verfügen gemeinsam über mehr als 80 Prozent der Krankenhausbetten in Berlin. Kooperation statt Konkurrenz – das ist etwas Besonderes.

    Martin Peuker: Herauszustellen ist auch, dass wir auf erfolgreiche Vorarbeiten zurückgreifen können. Im März 2019 startete erstmals die IT-Zusammenarbeit der Charité und Vivantes. Wir haben eine Interoperabilitätsplattform geschaffen, die uns einen digitalen Austausch von strukturierten Daten möglich macht. Innerhalb von wenigen Jahren und trotz der herausfordernden Umstände während der Corona-Pandemie ist es uns gelungen, die Interoperabilitätsplattform aufzubauen, unsere Potenziale zu bündeln und unsere Projektarbeit weiteren Berliner Kliniken vorzustellen. 

     

    3. Was sind die Anwendungsfälle die Sie als erstes angehen wollen und erfahren Sie auch die politische Unterstützung, die sie benötigen?

    Martin Peuker: Die Charité und Vivantes haben im Rahmen des Symposiums „Digitale Vernetzung der Berliner Kliniken“ ihre Projektarbeit den Berliner Kliniken im März 2023 vorgestellt. Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten und es zeigte sich eine große Bereitschaft als Teil in diesem Netzwerk mitwirken zu wollen. Stand heute: insgesamt haben 14 Klinikträger einen Letter of Intent unterzeichnet und somit der Zusammenarbeit an der Plattform zugesagt. Das ist ein Riesenerfolg hinsichtlich des Ausbaus digitaler Versorgungskooperation für die Berliner Bevölkerung. Gemeinsam wurden auf dem Symposium drei Anwendungsfälle definiert, die wir gemeinsam angehen werden: vernetzte Rettungsstelle, vernetzte Patientenkonferenz und SMART-Konzepte in die Geriatrie. Unsere Berliner Senatorin für Gesundheit Ina Czyborra unterstützt das gesamte Vorhaben, was uns natürlich immens bestärkt.

     

    4. Welche Partnerschaften streben Sie über den Klinikbereich hinaus an?

    Mina Baumgarten: Perspektivisch schaffen wir mit diesem Ansatz – technisch wie prozessual – die Basis, um Gesundheitsversorger in der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg so untereinander zu vernetzen, dass wir gemeinsam Patienten und Patientinnen optimal versorgen können. Das bedeutet im ersten Schritt in der jetzt bestehenden Kooperation in drei Anwendungsfällen Grundlagen für die Berliner Krankenhäuser zu schaffen. In den nächsten Jahren wollen wir die digitale Behandlungsakte dann über Landes- und Sektorengrenzen, also auch für Partnerorganisationen in Brandenburg, sowie in den Praxen, der Reha, der Altenhilfe etc. ausdehnen. Auch die die Nationale Agentur für Digitale Medizin gematik ist wichtiger Austauschpartner und schon bereits bei ersten Arbeitstreffen dabei gewesen.

     

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