Interview | Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender Charité - Universitätsmedizin Berlin

Vielfältige Herausforderungen und Chancen

Der Pharmakologe Prof. Dr. Heyo K. Kroemer ist seit dem 1. September 2019 Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In seiner vorhergehenden akademischen Laufbahn war er unter anderem Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pharmakologie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald sowie hauptamtlicher Dekan und Sprecher des Vorstands der Universitätsmedizin Göttingen. In Würdigung seiner wissenschaftlichen Verdienste ist Prof. Kroemer Mitglied der Leopoldina, der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften sowie zahlreicher wissenschaftlicher Gremien. Im Oktober 2022 wurde er zum Sprecher des Clusters Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg ernannt. Wir haben mit ihm über Herausforderungen für die Medizin und Gesundheitswirtschaft sowie die Potenziale der Hauptstadtregion gesprochen.

 

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen von Medizin und Gesundheitswirtschaft?

Die Medizin und die Gesundheitswirtschaft stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Für die Gesundheitswirtschaft ist eine davon der Wettbewerb. Es gibt heutzutage ein hohes Innovationspotenzial, das darin sichtbar wird, dass man in der Medizin heute viele Krankheiten verstehen und behandeln kann, bei denen dies bis vor kurzem nur schwer möglich war. Deshalb gilt es bei diesem Fortschritt Schritt zu halten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Daneben gibt es Herausforderungen grundsätzlicher Art. Das deutsche Gesundheitssystem hat sich zwar in der Corona-Pandemie bewährt, es wurden aber auch Defizite deutlich. Aus meiner Sicht zählt dazu in erster Linie eine stark zu verbessernde Digitalisierung. Ein weiterer Punkt ist der demografische Wandel mit dem eine starke Abnahme von verfügbaren Arbeitskräften einhergeht, dies wird sich in der Medizin und Gesundheitswirtschaft besonders bemerkbar machen. Dem kann nur auf zwei Wegen entgegen gewirkt werden: einerseits in dem man verstärkt auf digitale Lösungen setzt und anderseits in dem versucht wird durch Prävention die Zahl der Menschen zu verringern, die erkranken.

Warum ist gerade die Hauptstadtregion prädestiniert hier innovative Lösungen und Produkte zu entwickeln?  

Die Hauptstadtregion hat alle Dinge, die es braucht, um innovative Lösungen und Produkte zu entwickeln. Ein wichtiger Punkt bezieht sich auf den bereits angesprochenen Wettbewerb um Arbeitskräfte. Die Region und im speziellen Berlin ist sehr attraktiv zum Leben sowie zum Arbeiten und wird aus meiner Sicht auch in den kommenden Jahren viele junge Leute anziehen. Ein weiterer Punkt ist die bereits vorhandene Vielfalt an Expertise sowohl im öffentlichen-akademischen Bereich als auch in der Privatwirtschaft, die – in Kombination mit den Menschen die hier sind – ein hoch innovatives Arbeiten ermöglicht.

Manchmal wird der Vergleich mit dem Boston an der Spree bemüht – woran fehlt es da noch in Berlin und Brandenburg?

Berlin kann sich aus meiner Sicht durchaus in die Richtung eines zweiten Boston entwickeln. Ich glaube im Bereich der Biomedizin, hat die Metropolregion sogar das Potenzial im kontinentalen Europa eine Spitzenposition zu belegen. Boston hat auch mal klein angefangen und Berlin hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt und holt stark auf. Um diesen Prozess weiterhin positiv zu gestalten, müssen allerdings weitere Voraussetzungen geschaffen werden. Beispielsweise denke ich das mehr engere Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren realisiert werden müssen. Das hat sich zwar in den vergangenen Jahren verstärkt und verbessert, sowohl was die Zusammenarbeit zwischen den akademischen Einrichtungen anbelangt, wie es zum Beispiel am Berlin Institut of Health, dem Max Delbrück Center und der Charité deutlich wird. Als auch in puncto von Kooperationen zwischen akademischen Einrichtungen und der Privatwirtschaft, beispielsweise beim geplanten Zentrum für Zell- und Gentherapie von der Charité und Bayer. Trotzdem sind solche Zusammenarbeiten noch ausbaufähig. Es gilt dabei auch, engere und neuere Formen der gemeinsamen Arbeit von akademischen Einrichtungen und der Privatwirtschaft zu finden. Woran es darüber hinaus in Teilen noch fehlt sind monetäre Ressourcen. Hier sollten wir die öffentlichen Finanzierungsmöglichkeitenbesser nutzen.

Zum Abschluss eine eher persönliche Frage. Wenn Sie nicht Manager der größten Uniklinik wären, in welchem Bereich der Medizin würden Sie gerade jetzt gerne forschen?

Ich würde im Bereich der Pharmakologie und der personalisierten Medizin forschen. Damit habe ich mich früher bereits über einen langen Zeitraum auseinandergesetzt und es wären auch jetzt für mich die Themenfelder, die mich am meisten interessieren würden.

 

Herr Prof. Kroemer, wir danken für dieses Interview und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen als Sprecher des Clusters Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg.