Interview mit Prof. Dr. Hannes Rothe Associate Professor ICN Business School (Nancy, Paris, Berlin) & Digital Entrepreneurship Hub

Prof. Hannes Rothe ist Mitgründer des Digital Entrepreneurship Hub an der FU Berlin und Associate Professor für digital Transformation und Informationssysteme an der ICN Business School. Er beschäftigt sich seit Jahren mit digitalen Unternehmertum und Infrastrukturen sowie Ökosystemen und der Daten- und Wissensorganisation. Im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe hat er eine Studie der Freien Universität Berlin zur Gründungsdynamik im Biotech-Sektor in der Region Berlin-Brandenburg veröffentlicht. Im Interview spricht er über die Ergebnisse.

 

 

 

1. Herr Rothe, Sie haben jüngst eine Studie über Bio- & HealthTech Startups in Berlin veröffentlicht. Was war der Anlass dieser Studie und welche Leitfragen beantwortet sie?

Gesundheits- und Biotechnologien sind forschungsintensiv und haben das Potenzial unser Leben nachhaltig zu verändern. Unternehmen wie Biontech oder Curevac entwickeln mRNA-Technologien sowohl für die Immunisierung gegen Virusinfekte und für neuartige Krebstherapien. 2020 habe ich mir mit Industriepartnern die Frage gestellt, warum wir in Berlin zwar führende Lebenswissenschaft betreiben aber nicht führend für Bio- und HealthTech Startups sind.

2. Welche Standortfaktoren haben Sie für die Hauptstadtregion identifiziert?

Erfolgreiche Bio- und HealthTech Startups brauchen erfahrene Talente, belastbare Beziehungen zu Forschung und Praxis, Zugang zu geschütztem Wissen, hohe Ausstrahlungskraft und „smartes“ Kapital. Die Hauptstadtregion bringt viele dieser Zutaten mit. Sie ist Start-up-Hauptstadt vor allem für digitale und „low tech“ Startups und gleichzeitig „Brain Capital“. Wenn es um Bio- und HealthTech Startups geht, bleiben aber Potenziale offen.

3. Sie blicken auch über die Region hinaus, nach Cambridge. Was unterscheidet uns von Cambridge?  

Cambridge ist europaweit führend für wachstumsorientierte Start-ups im Bereich Bio- und HealthTech. Die Region wurde durch starke Forschung geprägt. Die Universität brachte zahlreiche Unicorns hervor und zieht seit Jahrzehnten Industrie an. Unternehmen, Universität und Investoren sind eng verzahnt und auf Bio- und HealthTech fokussiert. Gründerinnen und Gründer sind erfahrener und gut vernetzt. Start-ups haben eigene und breitere Patentportfolios.

4. Sie beziehen auch das Thema Nachhaltigkeit in Ihre Studie ein. Welche Indikatoren spielen hier eine Rolle und welche Empfehlungen ergeben sich daraus?

Ein nachhaltiges Ökosystem ist eine Kreislaufwirtschaft. Idealerweise bleiben Seriengründerinnen und -gründer in der Region, erfahrene Talente wandern nicht ab und erwirtschaftetes Kapital wird regional neu investiert. Dafür müssen Start-ups in der Region wachsen. Berliner Bio- und HealthTech Start-ups wachsen jedoch weniger stark als in Cambridge. Wir müssen sie früh auf internationales Wachstum vorbereiten und ihnen schneller die richtigen Ressourcen an die Hand geben.

5. Sie geben eine Reihe von Handlungsempfehlungen. Um diese zu diskutieren, schlagen Sie die Entwicklung einer Dialogplattform aller Akteure vor. 

An unseren Workshops waren zahlreiche Partner aus der Region, dem Bund und Europa beteiligt. Ziel einer Dialogplattform ist es, unsere konkreten Empfehlungen abzuwägen und herauszuarbeiten, wie wir Partner besser vernetzen und welcher zentralen Angebote es bedarf. Es gibt in der Region einen großen Wunsch nach Zusammenarbeit. Bund und Land schaffen bis 2023 enorme Labor- und Bürokapazitäten für wachstumsorientierte Bio- und HealthTech Start-ups.

6. Sie arbeiten für die ICN Business School. Was genau zeichnet diese Einrichtung aus?

Die ICN Business School ist eine Grande École mit Campi in Nancy, Paris und Berlin. Um die ökologischen und technologischen Veränderungen in unseren Gesellschaften kontinuierlich zu reflektieren und mitzugestalten, stehen Innovation und Transdisziplinarität im Zentrum unserer Ausbildung und Forschung. Dabei sind für mich die hohe Diversität und Internationalität in der Studierendenschaft und unter den Professorinnen und Professoren besonders spannend.