Interview | Michael Scherf, Vorstandsvorsitzender der GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG aus Teltow

Getemed und Telemonitoring – Innovationen in einem innovativen Umfeld

 

Sektorübergreifend, interdisziplinär, digital vernetzt – mit den wachsenden Möglichkeiten moderner Technologien für einen höheren Patientennutzen steigen auch die Anforderungen an Produkte im Gesundheitsbereich. Sie werden komplexer, interaktiver und zunehmend geprägt von einem Zusammenspiel verschiedener Akteure mit ihren jeweiligen Kompetenzen. Das zeigte sich auch beim Treffpunkt Gesundheitswirtschaft, den wir im Cluster HealthCapital gemeinsam mit der IHK Berlin am 6. Dezember veranstalteten. Im Fokus standen Innovationen rund um Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mit dabei war auch Michael Scherf, Vorstandsvorsitzender der GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG aus Teltow. Im Interview sprechen wir mit ihm, wie sich das Zusammenspiel von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Anwendung und dem Patientennutzen gestalten lässt und welche Rolle Telemedizin dabei spielt.

 

 

Mit InCareNet haben Sie gemeinsam mit Partnern eine Plattform für die Telemedizinische Betreuung bei Herzinsuffizienz aufgebaut. Wie kam es zu der Idee und wie haben sich die Partner gefunden?

Wir haben bereits um das Jahr 2000 herum mit Aktivitäten im Telemonitoring begonnen – damals eher ein Nischenthema. Im Laufe der Zeit konnten wir uns in der Region und darüber hinaus in diesem Segment eine gewisse Reputation erarbeiten. Parallel gab es von Seiten der Mediziner den Wunsch, die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz zu verbessern.

Von heute aus gesehen, kann man sagen das der Weg zu InCareNet damit begann, dass wir eine Ausschreibung der Charité für einen Tele-EKG-Rekorder gewonnen haben. Der wurde seinerzeit benötigt, um eine erste Studie zur Telemedizin bei Herzinsuffizienz durchzuführen. Darüber sind wir mit Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité in Kontakt gekommen. Darauf aufbauend waren wir durch die Technik an wichtigen und immer größeren Folgestudien beteiligt. Im Laufe dieser Studien konnte die medizinische Evidenz für die telemedizinische Mitbetreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz nachgewiesen und die Idee von InCareNet entwickelt werden. Partner für die Umsetzung fanden sich dann aus der Arbeit am Thema selbst.

Mit Biotronik und regionalen Krankenhäusern sind vor allem Akteure aus dem Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg an InCareNet beteiligt: Ist die räumliche Nähe auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung von Prozessen und Produkten noch von Relevanz und inwiefern?

Eigentlich spielt die räumliche Nähe schon seit längerer Zeit keine große oder gar entscheidende Rolle mehr für die Arbeit an Produkten und in Prozessen in unserem Bereich. Wenn man die zugrundeliegenden Studien betrachtet, sieht man, dass auch Partner beteiligt waren, die weiter weg sind. Für unsere Partner und uns war und ist eher die Region Berlin-Brandenburg, das Cluster Gesundheitswirtschaft an sich das Entscheidende. Hier gibt es viel Unterstützung für Firmen und Institutionen, die sich mit digitaler Innovation beschäftigen, es gibt Bemühungen Netzwerke aufzubauen und Projekte zusammenzubringen. Aus diesem Klima heraus ist es gelungen Partner zu finden und etwas aufzubauen. Die Region selbst hat es also bedingt, dass wir hauptsächlich mit regionalen Partnern zusammenarbeiten.

 

Sie haben eingangs bereits erwähnt, dass sich der Patientennutzen von Telemedizin in Bezug auf die Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz in mehreren Studien nachweisen ließ. Wie lässt sich der Patientennutzen im Rahmen der Telemedizin allgemein nachweisen?

Um den Nutzen und Evidenz nachzuweisen, braucht man multizentrische Studien, nicht nur in Bezug auf Telemedizin. Also Studien, die an mehrere Institutionen durchgeführt werden. Diese Art von Studien garantieren eine hohe Akzeptanz, da sie weniger Potenzial zum Anzweifeln bieten. Deshalb empfiehlt es sich, möglichst über eine lange Zeit und über viele Zentren verteilt Nachweise zu erbringen. Es hat 16 Jahre gebraucht telemedizinische Versorgung bei Herzinsuffizienz in den Regelebetrieb der Patientenversorgung zu bringen.

Auf dem Weg von der Idee bis zur Anwendung: wo lagen Ihrer Meinung nach die Hürden, welche sich niedrigschwellig abbauen lassen können? 

Hürden gibt es viele. Welche sich davon niederschwellig abbauen lassen, lässt sich so nicht sagen. Das liegt daran, dass wir es im medizinischen Bereich mit immer komplexeren und aufwändigeren Regularien – vor allem auf europäischer Ebene – zu tun haben. Bei den derzeitigen Voraussetzungen sind die Prozesse, neue und innovative Produkte in den Regelbetrieb zu bringen, sehr langsam. Aus meiner Sicht bräuchte es grundlegend zwei Ansätze: Zum einen die Betrachtung von bereits bestehenden und kürzlich eingeführten Regularien auf ihren tatsächlichen Nutzen und Effekt. Und zum anderen die Artikulierung eines grundsätzlich politischen Willens, was im Gesundheitssystem wichtig sein soll – beispielsweise, will man schnelle Innovationen und am Puls der Entwicklung bleiben oder setzt man eher auf eine langsame und vermeintlich sicherere Entwicklung. Je nachdem, was dabei rauskommt, lassen sich Prämissen für eine stringente und effiziente Gesundheitspolitik finden.

 

Zur Person:

Michael Scherf hat Elektrotechnik studiert; schon früh mit dem Wunsch in der Medizintechnikbranche zu arbeiten. Getemed war seine erste Station. Angefangen hat er in dem Unternehmen für Medizin- und Informationstechnik als Produktmanager für Langzeit-EKG-Systeme. Danach bekleidete er unterschiedliche Positionen, bis er 2010 den in Pension gehenden Gründer als Vorstandsvorsitzenden ablöste. Seither leitet Michael Scherf das Unternehmen, derzeit zusammen mit seinem Kollegen Robert Downes. Getemed ist in den Bereichen kardiologische Funktionsdiagnostik, Monitoring von Risiko-Neugeborenen und Telemonitoring aktiv. Zusammen mit dem Berliner Unternehmen Biotronik, das Dienstleistungen und Produkte für Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen zur Verfügung stellt, betreibt Getemed eine Plattform für das Telemonitoring von Patienten mit Herzinsuffizienz.

 

 

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