Im Portrait | Der Forschungsbau SupraFAB: Nanoforschung an den Zellgrenzen

Hochspezialisierte Labore, komplexe Messinstrumente und interdisziplinäre Spitzenforschung: In dem modernen Neubau SupraFAB auf dem Campus der Freien Universität Berlin in Dahlem forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Physik, Chemie und Biologie seit rund eineinhalb Jahren an den Bereichen von Zellgrenzen.

 

 

Mehr als die Hälfte aller kommerziellen Medikamente zielen auf Proteine ab, die sich in der Membran von Zellen befinden. Denn wenn Krankheitserreger versuchen, in eine Zelle einzudringen, laufen zwischen den Proteinen an der Zelloberfläche komplexe Prozesse ab. Diese Prozesse wiederum sind entscheidend dafür, ob und wie schwer jemand erkrankt. Trotz ihrer Bedeutung ist über die Funktionalität dieser Proteine an den Zellgrenzen wenig bekannt. Das zu ändern und weitere Forschungsideen umzusetzen, ist eines der Ziele von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die seit eineinhalb Jahren in dem hochmodernen Forschungsbau SupraFAB – kurz für Supramolekulare funktionale Architekturen an Biogrenzflächen – arbeiten. Rund 120 Forschende haben dort Platz. Eine Besonderheit ist der Fokus auf interdisziplinäres Arbeiten. Die SupraFAB-Labore und Forschungsgroßgeräte werden durch verschiedene Arbeitsgruppen aus der Physik, Biologie und Chemie gemeinsam genutzt.

Spezielles Fundament für weniger Schwingungen

„Die Freie Universität Berlin erhält mit dem Forschungsbau SupraFAB herausragende interdisziplinäre Arbeitsmöglichkeiten auf den Gebieten der Zellforschung, der supramolekularen Chemie sowie der Bio- und Nanophysik. Der Neubau bildet die Grundlage für eine weitere Vernetzung der interdisziplinären Spitzenforschung in den Nanobiowissenschaften auf dem zentralen Forschungscampus der Freien Universität in Berlin-Dahlem. Den Wissenschaftlern der beteiligten Fachgebiete Biologie, Chemie, Pharmazie sowie Physik stehen ab sofort gemeinsam genutzte hochspezialisierte Labore und in der Anschaffung und Unterhalt extrem anspruchsvolle State oft the Art Forschungsgroßgeräte zur Verfügung“, unterstreicht der Sprecher der Einrichtung, Chemiker Prof. Dr. Rainer Haag.

Baubeginn für das nachhaltig und technisch anspruchsvoll konzipierte Gebäude auf dem Campus der Freien Universität Berlin (FUB) in Dahlem war 2016. Der 48 Millionen Euro teure Neubau wurde zum überwiegenden Teil aus dem Bund-Länder-Programm der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) für Forschungsneubauten finanziert. In den drei Geschossen sind im oberen Bereich die Seminarräume sowie Labore und Büros untergebracht, auf der untersten Ebene finden sich die Großgerätelabore. Das Besondere an dem Gebäude: Damit äußere Einflüsse die sensiblen Messungen nicht verfälschen, steht der SupraFAB auf einer schwingungsarmen, ein Meter dicken Bodenplatte. Ein 40 Tonnen schweres Sonderfundament auf Luftfedern bewirkt zusätzlich für einige Messgeräte eine noch weitergehende Entkopplung von äußeren Einflüssen.

Nach sechsjähriger Bauzeit wurde SupraFAB im Mai 2022 feierlich eröffnet und die Forschenden aus den unterschiedlichen Fachbereichen der FU Berlin zogen sukzessive ein. Seither werden die SupraFAB-Labore interdisziplinär genutzt. Den Forschenden steht dabei eine ganze Reihe von hochmodernen Geräten zur Verfügung: Neben superauflösenden, optischen Mikroskopen gibt es unter anderem auch eines von deutschlandweit wenigen „near ambient pressure“-Röntgenphotoelektronenspektroskopen (NAP-XPS), das biomolekulare Verbindungen nahe Normaldruck untersuchen kann. Das Tieftemperatur-Rastertunnel-Rasterkraft-Mikroskop (LT-STM-AFM) wiederum erreicht unter anderem eine besonders hohe Auflösung und kann Änderungen im Sub-Nanometerbereich auf einer Oberfläche abbilden. Ein State of the Art 300-Kilovolt-Kryo-Transmissions-Elektronenmikroskop, mit dem sich im funktionellen Zustand in natürlicher wässriger Umgebung schockgefrorene Eiweißmoleküle und andere Strukturen im Auflösungsbereich eines Zehntelnanometers, also atomarer Auflösung, abbilden lassen, ermöglicht es den Forscherinnen und Forschern beispielsweise, die Struktur und Funktion einzelner Proteine und Proteinkomplexe zu verstehen.

Forschung für die Entwicklung von Medikamenten

Mit den Instrumenten untersuchen die Forschenden – vereinfacht gesagt – vor allem die Zellgrenzen mit einem Nanoblick. In den Laboren der Sicherheitsstufe 2 (S2-Labore) wird unter anderem daran geforscht, wie die Interaktion von Virus und Zelle blockiert werden kann und welche Erkenntnisse für Diagnostik und Therapien sich daraus ableiten lassen. Erkenntnisse über Struktur und Funktion einzelner Proteine, Proteinkomplexe und weiterer komplexer supramolekularer Architekturen in biologischen Grenzflächen, relevant für die Interaktion von Krankheitserregern mit Zellmembranen relevant, sind in der Gesundheitsforschung, speziell bei der Entwicklung von neuartigen Medikamenten wichtig, Forschungsthemen dahingehend sind etwa die neuronale Signalübertragung von Nervenzellen, komplexe Proteinstrukturen auf Zelloberflächen und in der Zellmembran sowie Hydrogele als Bestandteil von biologischen Grenzflächen.

„Mit dem Forschungsbau SupraFAB gibt es einen weiteren Forschungsneubau in der Stadt, der die positive Entwicklung von Berlin als Spitzenstandort für Forschung unterstreicht. Der Forschungsbau ist eine große Bereicherung für die Freie Universität und mit Blick auf die Gesundheitsforschung für uns alle. Denn durch die hier stattfindende Forschung können die Grundlagen für neue diagnostische und therapeutische Konzepte entwickelt und die interdisziplinäre Forschung zwischen Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin verstärkt werden“, sagte Prof. Dr. Rainer Haag bei der feierlichen Eröffnung, und weiter: „In vier Sonderforschungsbereichen, einem Graduiertenkolleg und der Focus Area Nanoscale arbeiten wir in Biologie, Chemie und Physik intensiv zusammen und vernetzen uns mit weiteren Disziplinen. Mit SupraFAB haben wir jetzt eine optimale Forschungsumgebung bekommen, um große Herausforderungen von supramolekularen Architekturen an Biogrenzflächen zu knacken und neue Ideen zu schmieden.“

Auch Nachwuchsforschungsgruppen, die sich im Bereich der Forschungsprogrammatik des SupraFAB betätigen, haben die Möglichkeit sich in der frühen Phase ihrer Konstituierung durch das SupraFAB fördern zu lassen und die Infrastruktur wie teure Forschungsgroßgeräte und spezialisierte Labore zu nutzen.

 

Weiterführende Links: