Corona-Forschung im Potsdam Science Park

Corona-Medikamente, antivirale Atemschutzmasken und neuartige Testverfahren — Im Potsdam Science Park arbeiten Institute und Unternehmen an Therapiemöglichkeiten und Lösungen, um die Ausbreitung des Coronavirus weiter einzudämmen oder die Heilung von Erkrankten zu beschleunigen. Schon in den nächsten Jahren könnten durch die Forschungsergebnisse erste Corona-Medikamente, antivirale Atemschutzmasken, verbesserte Corona-Tests oder Masken mit integriertem Corona-Test auf den Markt kommen. Die Ansätze und Anwendungsszenarien sind dabei äußerst vielversprechend.

 

BEAT-COVID – Forschung an einem neuen Medikament gegen Covid-19

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen derzeit in Potsdam-Golm und an vier weiteren Fraunhofer-Standorten im Rahmen des Projekts BEAT-COVID mit Hochdruck an Medikamenten gegen das Coronavirus. Sie entwickeln neuartige Therapiestrategien und bauen Plattformtechnologien auf, um auch gegen zukünftige, heute noch unbekannte Erreger zielgerichtet und schnell neue Medikamente entwickeln zu können. Dr. Ruben R. Rosencrantz vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP im Potsdam Science Park forscht mit seinen Arbeitsgruppen im Verbund an einem Medikament gegen SARS-CoV-2. Dabei geht es um RNA-Wirkstoffe, mit denen eine Therapie gegen Covid-19 zukünftig möglich sein soll. Die Idee: Das Medikament soll als Spray zur Inhalation eingesetzt werden, um den Wirkstoff direkt in die Atemwege zu bringen. Der Wirkstoff hemmt den Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zelle, indem die Andockstellen des Virus auf der Zelle ausgeschaltet werden. Oder die Vermehrung von bereits eingedrungenen Viren wird unterdrückt. Damit der Körper den Wirkstoff besser aufnehmen kann, arbeitet die Arbeitsgruppe von Dr. Rosencrantz an biofunktionalisierten Polymeren. Diese bilden eine Art Schutzschicht um die RNA, damit diese die Schleimschicht der Atemwege schnell und vor allem unbeschadet durchdringen kann, um dann in den Zellen zu wirken. Das Spray soll Infizierten helfen, die Krankheit schneller zu überwinden und schwere Krankheitsverläufe verhindern oder verringern. Wenn alles weiterhin gut läuft, könnte das Medikament laut Schätzung von Dr. Rosencrantz in einigen Jahren auf dem Markt sein.

„Next Generation Schutz-Textilien“: die Revolution der Atemschutzmasken

Atemschutzmasken könnten schon bald eine kleine Revolution erleben: Sie sollen bereits auf ihrer Oberfläche Viren inaktivieren und bei 40°C waschbar sein. Genau daran forschen unter anderem Dr. Katja Uhlig und Dr. Sebastian Kersting vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB, in Zusammenarbeit mit Dr. Erik Wischerhoff vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP. Um Coronaviren auf Atemschutzmasken zu inaktivieren, sollen antimikrobielle Peptide, kurz AMPs, zum Einsatz kommen. Diese haben sich als äußerst effizient erwiesen, um Bakterien oder Viren auf Oberflächen zu eliminieren. Die Herausforderung: Verschmutzt die Atemschutzmaske, zum Beispiel durch inaktivierte Viren, verlieren die AMPs ihre Wirksamkeit. Die Lösung: responsive Polymere. Diese Polymere nehmen durch den Einfluss der Temperatur – etwa in der 40°C-Wäsche – abstoßende Eigenschaften an und ermöglichen es so, dass sich die antivirale Oberfläche wieder regenerieren kann. Einfacher gesagt: Die inaktivierten Viren lassen sich leicht durch warmes Wasser abspülen und die antivirale Wirksamkeit ist wieder vollständig hergestellt. Auf diese Art könnte eine Atemschutzmaske viele Male gereinigt und wiederverwendet werden. Die Forschung an antiviralen, waschbaren Atemschutzmasken ist dabei nur ein Aspekt der Initiative „Next Generation Schutz-Textilien“. Im Zentrum stehen Ansätze für die Produktion verbesserter, qualitativ hochwertiger Schutztextilien. An dem Projekt sind insgesamt zehn Institute der Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt. Ein Großprojekt, das aus einem Ideenwettbewerb entstanden ist, den die Fraunhofer-Gesellschaft intern im März 2020 ausgeschrieben hatte.

Keine Abstriche: Masken mit integriertem Corona-Test

Corona-Tests sind ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu verringern, indem Infektionen möglichst früh erkannt werden. Die gängigen Testverfahren haben jedoch einige Nachteile: Sie erfordern unangenehme Abstriche in Nase und Rachen und sind fehleranfällig, wenn der Abstrich falsch oder zum falschen Zeitpunkt entnommen wurde. Bei einem PCR-Test liegt das Ergebnis oft erst am nächsten Tag vor. In einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP, arbeitet ein Team um Dr. Cornelia Hettrich daran, Corona-Tests ohne Abstriche zu ermöglichen. Der Ansatz: Eine Atemschutzmaske mit integriertem Sensor misst und analysiert laufend die Viruslast in der ausgeatmeten Atemluft der Trägerinnen und Träger. Die Vorteile: Die Probeentnahme ist nicht-invasiv, erfordert kein klinisches Personal und stellt auch keine wesentliche Belastung für die Testpersonen dar. Auch wenn die Personen keine Symptome zeigen, ist die Viruslast in der Atemluft bereits ausreichend, um eine Erkrankung mit SARS-CoV-2 mit einem integrierten Sensor nachzuweisen. Das Ergebnis derartiger Corona-Tests wäre dann einfacher zu ermitteln und sofort verfügbar.

Antikörperherstellung mit Turboboost: Qualitativ hochwertige Antikörper für verbesserte Testverfahren und Medikationen

Prof. Katja Hanack ist Professorin für Immuntechnologie an der Universität Potsdam. Bereits vor Ausbruch der ersten Infektionen mit dem Coronavirus hat sie viele Jahre lang an Verfahren geforscht, künstliche Antikörper schneller herzustellen. Dabei gelang ihrem Team der Durchbruch: Mit Hilfe ihrer Forschung konnte die Herstellung künstlicher Antikörper von zwölf auf drei Monate verkürzt werden. 2014 hat sie dazu das Start-up new/era/mabs gegründet, um künstliche Antikörper herzustellen und die Technologie zur schnelleren Herstellung von Antikörpern zu vermarkten. Das von ihr modernisierte Verfahren könnte nun auch helfen, neue Testverfahren und Medikamente zu etablieren. Aktuell befindet sich die Potsdamer Forscherin an der Stanford University in den USA, um mit Kooperationspartnern und weiteren Unternehmen den Einsatz der von ihr entwickelten Antikörper in der Praxis zu forcieren. In einem der Projekte geht es zum Beispiel um ein Testgerät für zu Hause, mit dem man in nur 30 bis 40 Minuten ein sehr präzises Testergebnis erhält. Dies würde herkömmliche Testverfahren optimieren – denn während Schnelltests zwar rasche, aber selten sehr präzise Ergebnisse liefern, kann das Warten bei PCR-Tests aufgrund von Laborauswertungen ein bis zwei Tage dauern. Vielversprechend ist auch der Ansatz, in der Arbeitsgruppe hergestellte humane Antikörper für ein Medikament gegen SARS-CoV-2 einzusetzen. Weil diese Antikörper direkt auf das Virus wirken würden, könnte eine schnellere Wirkung als bei Medikamenten auf RNA-Basis erzielt werden.

Der optimierte Schnelltest: Höchste Genauigkeit und die Erkennung aller Mutationen dank Antikörpern aus Brandenburg

An verbesserten Testverfahren mit Hilfe von qualitativ hochwertigen Antikörpern arbeiten auch Dr. Frank Sellrie und Jörg Schenk von der Arbeitsgruppe Immuntechnologie der UP Transfer GmbH an der Universität Potsdam. Die beiden Wissenschaftler forschen seit über 20 Jahren im Bereich Antikörpertechnologie und haben bereits im letzten Jahr in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt neue monoklonale Antikörper gegen SARS-CoV-2 entwickelt. Diese Antikörper sind äußerst affin und spezifisch, sie erkennen also keine anderen Coronaviren, wie in gemeinsamen Untersuchungen mit der Charité und dem Fraunhofer IZI-BB ermittelt werden konnte. Allerdings werden alle gängigen Virusvarianten (Alpha, Delta etc.) erkannt. Es besteht weiterhin großer Bedarf an SARS-CoV-2-bindenden Antikörpern, um schneller und sicherer Infektionen zu erkennen. In den letzten Monaten wurden die Antikörper nun in einen sensitiven Schnelltest integriert, der von der Firma ImmoGnost hergestellt wird und seit Juni 2021 auf dem Markt ist. Dieser Test ist einer der wenigen, der vollständig in Deutschland entwickelt und hergestellt wird. Das „Herzstück“, die monoklonalen Antikörper, wurden im Potsdam Science Park generiert.

Fazit

Trotz der steigenden Impfquote wird uns nach Ansicht vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Coronavirus weiterhin beschäftigen, zumal die so genannte Herdenimmunität noch nicht erreicht ist. Die verschiedenen Forschungsvorhaben im Potsdam Science Park bieten deshalb wichtige Erkenntnisse, um bessere Corona-Tests und Schutzmasken sowie hochwirksame Medikamente zu etablieren. Es ist eine Frage der Zeit, bis weitere Mutationen oder gar ein neues Virus die Welt vor neue Herausforderungen stellt. Mit ihrer heutigen Forschung legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Grundstein, um auf mögliche kommende Pandemien in der Zukunft schneller und effizienter reagieren zu können.

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