Charité setzt Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung

Für die deutliche Senkung ihrer Lebensmittelabfälle ist die Charité jetzt ausgezeichnet worden. Nachhaltigkeitsmanager Simon Batt-Nauerz erklärt, mit welcher Strategie die Ergebnisse möglich waren und was die nächsten Ziele sind.

 

Der Erfolg ist beeindruckend, und er kam ziemlich schnell: In der Zeit von Februar bis Oktober 2022 hat die Charité die Lebensmittelabfälle in der Patientenverpflegung um 20 Prozent und in der Verpflegung von Mitarbeitenden sogar um 50 Prozent reduziert. Dafür erhielt die Berliner Universitätsklinik jetzt die Auszeichnung der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

An der Nationalen Strategie beteiligen sich mittlerweile mehr als 70 Unternehmen – unter anderem auch elf aus dem Bereich Krankenhaus. Sie messen regelmäßig ihren Lebensmittelabfall, haben sich verpflichtet, ihre Speisereste bis 2025 um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2030 zu halbieren, und berichten darüber einmal jährlich an die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung (KAHV). Die Charité ist jetzt das erste Unternehmen, das für seine Einsparungen mit dem KAHV-Zertifikat belohnt wurde – denn in der Gesamtbetrachtung hat die Uniklinik ihre Speiseabfälle schon jetzt um 37 Prozent gesenkt.

 

 

Die Auszeichnung zeige, „dass wir mit unseren Projekten und Initiativen auf dem richtigen Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind“, sagte Astrid Lurati, Charité-Vorständin Finanzen und Infrastruktur: „Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsziele ist es uns ein wichtiger Anspruch, den Umgang mit der wertvollen Ressource Lebensmittel stetig zu optimieren. Unser Handeln zeigt bereits nach kurzer Zeit eine große Wirkung.“

Erreicht wurde das vor allem durch eine systematische und transparente Abfallerfassung, die Auswertung der gewonnenen Daten und pragmatische Lösungen, erklärte Simon Batt-Nauerz, der bei der Charité seit Mai 2022 den Geschäftsbereich Infrastruktur und Nachhaltigkeitsmanagement leitet, im Gespräch mit kma. An verschiedenen Messpunkten wurden unter anderem die Tablettrückläufe gewogen – differenziert nach Frühstück, Mittagessen und Abendbrot und zum Beispiel auch verpackter Ware. Zudem wurde erfasst, wo zu viel produziert wurde und welche Komponenten häufig im Übermaß vorhanden waren. Entsprechend wurde der Einkauf nachreguliert. „Wir wollen nicht mehr für alle Eventualitäten produzieren, sondern nur das, was notwendig ist“, betont Batt-Nauerz. Das wirkt sich nicht zuletzt auch auf die Bilanz aus: Allein durch die bisherigen Veränderungen in Produktion und Einkauf spart die Uniklinik im Jahr einen sechsstelligen Betrag ein.

Genauer Blick auf die Verkaufszahlen

Zur Analyse gehörte auch der genaue Blick auf Verkaufszahlen und Besonderheiten an jedem Standort für die Verpflegung der Mitarbeitenden: Was wurde wann, wo und in welcher Menge gegessen? An welchen Tagen wurde weniger verkauft? „Das systematisch auszuwerten und darauf zu reagieren, war relativ simpel“, sagt Batt-Nauerz, der auch Geschäftsführer der Charité-Tochter Charité Facility Management (CFM) ist. Die CFM ist für die Speisen- und Getränkeversorgung für Patienten und Beschäftigte auf allen drei Charité-Campus zuständig und produziert in der Zentralküche täglich allein rund 4500 Mittagessen.

Gleichzeitig seien die Beschäftigten dafür sensibilisiert worden, dass kurz vor der Schließung einer Verkaufsstelle nicht mehr alles vorgehalten werden könne: „Das ist auch ein Umdenken in der Belegschaft.“ Im Ergebnis sei die Menge an frisch gekochter Verpflegung für die Mitarbeitenden um 20 Prozent reduziert – und mit sogenannten „Cook and Chill“-Mahlzeiten gleichzeitig ein Puffer geschaffen worden. Diese Produkte sind vorgekocht und gekühlt und werden nur bei Bedarf regeneriert. „So können wir jederzeit nachsteuern“, sagt Batt-Nauerz.

85 Tonnen Lebensmittelabfälle eingespart

Die seit Februar bereits erreichten Reduzierungen von 85 Tonnen Lebensmittelabfällen entsprechen nach Charité-Angaben schon jetzt 216 Tonnen CO2, 3,6 Millionen Litern Wasser sowie 142 151 Quadratmetern Fläche für den Anbau von Lebensmitteln. Das Potenzial sei aber noch viel größer, sagt Batt-Nauerz – allerdings sei es in den klinischen Prozessen schwerer zu heben. Große Hoffnungen liegen deshalb in einer Patienten-App, die voraussichtlich 2023 eingeführt werden soll.

 

 

Damit sollen die Patienten ihre Verpflegung künftig passgenauer bestellen können. Insbesondere gewünschte Portionsgrößen sollen dabei detaillierter abgefragt werden. „Darüber hinaus werden wir die Serviceteams auf den Stationen für das Thema sensibilisieren und schulen sowie gemeinsam die Bestellprozesse auf den Stationen anpassen“, erklärt Brit Schulz-Lahmann, Leiterin Patienten- und Mitarbeitendenverpflegung: „Wir möchten eine passgenaue Bestellung erreichen, die unsere Patienten auch über mobile Endgeräte selbst vornehmen können.“

Stärkerer Einsatz von Buffetwagen

Gleichzeitig denkt Simon Batt-Nauerz auch schon über den stärkeren Einsatz von Buffets nach, wie sie etwa auf Wochenbettstationen oder in der Psychiatrie angeboten werden. Auf einigen normalen Stationen kommen sie für Frühstück und Abendessen bereits in Form von Buffetwagen zum Einsatz. Die Patienten können sich ihre Verpflegung dann ganz individuell auswählen, oder eine Servicekraft fragt die Wünsche ab und stellt die Portion zusammen, wenn die Patienten nicht zum Buffetwagen laufen können. Auch wenn das in der Breite noch Zukunftsmusik ist, für CFM-Geschäftsführer Batt-Nauerz ist das Ziel klar: „Wir möchten die Bestellung und die Auswahl viel näher an den Moment des Essens heranbringen.“

Die neutrale Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung, die der Charité ihr Zertifikat verliehen hat, wird vom BMEL für drei Jahre gefördert und vom Verein United Against Waste (UAW) aufgebaut und geleitet. Sie startete im April 2022. Die Kompetenzstelle sammelt und überprüft unternehmensspezifische Daten zu Lebensmittelabfällen und bereitet diese auf. Durch regelmäßige Abfallmessungen werden die Wirksamkeit der verbindlichen Maßnahmen überprüft und Erfolge der Unternehmen dokumentiert.

Julia Gassmann/Jens Kohrs/Charité