Analyse belegt Wirtschaftlichkeit der Stroke-Einsatz-Mobile

Vor über 10 Jahren ging das erste Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO) in Berlin in Betrieb. Das Ziel: die Versorgung von Schlaganfall-Notfällen in der Hauptstadt zu verbessern. Seitdem werden die speziell ausgestatteten Rettungsfahrzeuge evaluiert. Begleitstudien haben gezeigt: Wird ein STEMO eingesetzt, überleben die Betroffenen häufiger ohne bleibende Behinderung. Jetzt liegen Auswertungen einer gesundheitsökonomischen Analyse vor. Auf Basis der Gesamtbewertung spricht sich die Charité – Universitätsmedizin Berlin dafür aus, dass die STEMO in die Regelversorgung übernommen werden.

 

Bei der Versorgung von Schlaganfällen geht es um Zeit: Unbehandelt sterben pro Minute knapp zwei Millionen Nervenzellen ab. Mit dem Ziel, Schlaganfälle noch schneller behandeln zu können, entwickelte die Charité zusammen mit der Berliner Feuerwehr und der MEYTEC GmbH ein Spezial-Rettungsfahrzeug, das Diagnostik und Therapie zu den Patientinnen und Patienten bringt. Dieses STEMO erlaubt es, Betroffene schon am Einsatzort zu behandeln. Nachdem das erste Fahrzeug 2011 in Betrieb ging, evaluierte ein Charité-Forschungsteam das Konzept zunächst auf technische Machbarkeit, Sicherheit und Zeiteinsparung bis zum Therapiebeginn hin. Auf Basis dieser Daten wurde der Betrieb von drei STEMO in die sogenannte Probe-Regelversorgung übernommen – verbunden mit weiteren Untersuchungen zum gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nutzen des Rettungskonzepts.

„Wir konnten in den vergangenen Jahren in einer Reihe großangelegter Studien den medizinischen Nutzen der Fahrzeuge eindeutig nachweisen“, sagt Prof. Dr. Heinrich Audebert vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB) und der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. Der Initiator des STEMO-Programms betont: „So konnten wir belegen, dass mit dem STEMO mehr Patienten die nötige Lyse-Therapie erhalten und diese im Schnitt 20 bis 25 Minuten früher verabreicht wird als bei konventioneller Versorgung durch Rettungsdienst und Notaufnahme. Und das Wichtigste: Schlaganfall-Betroffene, zu deren Rettung das STEMO losgeschickt wird, überleben häufiger und tragen seltener eine Behinderung davon.“

Auf Basis dieser klinischen Parameter hat ein Forschungsteam unter Federführung von Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität (TU) Berlin, zusammen mit Forschenden der Charité die gesundheitsökonomischen Effekte der STEMO-Versorgung jetzt analysiert. Dazu ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die bei Einsatz eines STEMO im Vergleich zur konventionellen Versorgung zusätzlich entstehenden Kosten und legten diese auf die verbesserten medizinischen Ergebnisse um. Berücksichtigt wurden dabei sowohl die Verlängerung des Lebens als auch die Steigerung der Lebensqualität. Den vorläufigen Ergebnissen der Analyse zufolge entstehen pro gewonnenem Lebensjahr bei voll erhaltener Lebensqualität Kosten von rund 41.000 Euro. „Das liegt im Bereich der in unseren Gesellschaften akzeptierten Spanne für einen gesundheitlichen Zugewinn“, erklärt Prof. Busse.

Prof. Dr. Martin E. Kreis, Vorstand Krankenversorgung der Charité: „Die STEMO-Fahrzeuge haben ihren großen medizinischen Nutzen bei akzeptablem Aufwand nun überzeugend bewiesen. Wir sprechen uns deshalb dafür aus, dass sie den Berlinerinnen und Berlinern dauerhaft für eine bestmögliche Schlaganfallversorgung erhalten bleiben.“

Zur gesundheitsökonomischen Analyse
Die Kosten-Nutzwert-Analyse baut auf der Kostenkalkulation der Berliner Feuerwehr und den Ergebnissen der im Februar 2021 veröffentlichten B_PROUD-Studie auf, die die Effekte der STEMO-Versorgung auf die Prognose der Patientinnen und Patienten untersucht hat. Die gesundheitsökonomische Evaluation ist unter Federführung von Prof. Dr. Reinhard Busse (TU Berlin) in Zusammenarbeit mit dem CSB sowie der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie und dem Institut für Public Health der Charité entstanden. Die umfängliche Veröffentlichung der Arbeit ist derzeit in Vorbereitung.

STEMO 
Das STEMO ist ein Rettungsfahrzeug, das für Patienten mit Schlaganfall konzipiert ist. Ausgestattet mit einem Computertomographen und einem Labor sowie besetzt mit einem Neurologen und speziell geschultem Rettungspersonal bringt es ein Stück Krankenhaus zum Patienten. Nach der ersten sogenannten „Mobile Stroke Unit“ im Saarland wurde 2011 in Berlin mit dem STEMO der erste voll ausgestattete Notarztwagen mit Computertomographie und Minilabor in einer Metropolregion in Betrieb genommen. Die in den Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr integrierten STEMO sind telemedizinisch mit den (neuro-) radiologischen Abteilungen der beteiligten Kliniken verbunden. Nach Inbetriebnahme des ersten STEMO wurde das Konzept auf Machbarkeit, Sicherheit und Zeiteinsparung bis zum Therapiebeginn hin evaluiert. Auf Basis dieser Daten wurde der Betrieb von drei STEMO, betrieben durch die Berliner Feuerwehr in Kooperation mit der Charité, dem Unfallkrankenhaus Berlin und dem Vivantes Klinikum Neukölln, in die sogenannte Probe-Regelversorgung übernommen. Damit verbunden war die Verpflichtung, auch die Effekte auf die Prognose der Patientinnen und Patienten zu untersuchen sowie die Wirtschaftlichkeit zu ermitteln. Inzwischen gibt es ca. 40 ähnliche Projekte weltweit, unter anderem in New York, Los Angeles, Melbourne und Bangkok. Berlin verfügt weltweit als erste Stadt über mehrere STEMO, die nahezu die gesamte Siedlungsfläche Berlins abdecken. Die drei Berliner STEMO rücken etwa 6.000 Mal im Jahr aus.

Schlaganfall
In Deutschland erleiden jährlich ca. 250.000 Menschen, in Berlin ca. 12.000 Menschen einen Schlaganfall. Der Schlaganfall ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen und führt unbehandelt bei weit über der Hälfte der Patientinnen und Patienten zu einer bleibenden Behinderung. Die Lyse-Therapie eignet sich ausschließlich für Schlaganfälle, die auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückzuführen sind, nicht für solche, die von Hirnblutungen ausgelöst werden. Um die beiden Ursachen voneinander zu unterscheiden, ist eine entsprechende Diagnostik vor Beginn einer Lyse-Therapie essenziell.