AKTUELLES INTERVIEW: Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland

Seit Oktober 2006 ist Dr. Viola Bronsema Geschäftsführerin der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e.V. in Berlin. Zuvor leitete die studierte Biologin die Kommunikation der Roche Diagnostics GmbH und Diagnostics EMEA in Mannheim. Zu ihren früheren Stationen gehören Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Lilly Pharma Holding GmbH sowie für das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Ihre berufliche Laufbahn begann sie 1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Molekulare Biologie in Heidelberg. Im Interview spricht Viola Bronsema über aktuelle Entwicklungen in der Biotechnologie und den schwierigen Spagat zwischen Innovation und Regulierung.

 

Gemeinsam mit dem Arbeitskreis BioRegionen veranstaltet BIO Deutschland die Deutschen Biotechnologietage, die in diesem Jahr am 18. und 19. April in Berlin stattfinden. Was steht auf dem Programm?

Wir wollen zunächst einmal einen Überblick über die gesamte Branche geben – und das nicht nur aus Sicht der Industrie, sondern auch mit Blick auf Forschung, Politik und Gesellschaft. Entsprechend breit ist auch unser Programm. Ein Highlight ist sicher, dass Dr. Simon Moroney von MorphoSys und Prof. Dr. Hannelore Daniel von der Technischen Universität München bei der Eröffnung sprechen werden. Dort findet auch die Verleihung des sogenannten GO-Bio-Preises statt – das ist eine spezielle Förderung für Gründer in der Biotechnologieindustrie. Die Auslobung übernimmt Staatssekretär Dr. Georg Schütte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Und wir nutzen unseren Aufschlag in der Hauptstadt, indem wir den festlichen Abend im Humboldt Carré zusammen mit der Politik begehen. So können Unternehmer ihre Vertreter aus den Wahlkreisen treffen. Wir sind sehr gespannt, wie das wird. Die Teilnehmerzahl hat sich im Vergleich zu den ersten Biotechnologietagen im Jahr 2010 verdoppelt.

Die deutsche Biotechnologiebranche hat 2017 mit rund 674 Millionen Euro so viel Kapital eingesammelt wie nie zuvor. Das hat Ihr Verband gemeinsam mit dem Branchenmagazin „Transkript“ ermittelt. Worin liegt dieser Erfolg im Wesentlichen begründet?

Die deutsche Biotechnologiebranche hat einen neuen Reifegrad erreicht. Es hat sich auch bei ausländischen Investoren herumgesprochen, dass hier sehr gute Biotechforschung und Produktentwicklung zu haben ist – für vergleichsweise kleines Geld. In den vergangenen Jahren gab es häufig ein bis zwei Firmen, die sehr große Eigenkapitalmengen abgegriffen haben. Inzwischen gibt es mehrere große Finanzierungsrunden, wodurch sich auch die Finanzierung insgesamt viel besser verteilt. Dieses Jahr hat mit einem großen Knall begonnen: Am 4. Januar hat die Firma BioNTech aus Mainz 270 Millionen US-Dollar eingeworben – die bisher größte Finanzierungsrunde einer deutschen Biotechfirma. Daran kann man sehen, dass sich unsere Branche gut entwickelt. Die Unternehmer können langsam die Früchte ihrer Erfolge in der Forschung ernten. Mittlerweile sind einige Produkte zur Zulassung gekommen, das ist auch ein Garant für einen positiven Ruf in der Branche. 
 
Welche Trends zeichnen sich für 2018 ab?

Es gibt viele Biotechfirmen, die in den USA an die Börse gehen – verglichen mit IPOs in Deutschland. Zunehmend profiliert sich auch die Euronext als Lifescience-Börse. Die kritische Masse an Biotechunternehmen, die dort an die Börse gehen, ist erreicht. Jetzt kann man einen Index sehen und hat eine Vergleichs-Community. Wir hoffen, dass das Schule macht und sich mehr Biotechfirmen in Europa darüber finanzieren. Das Interesse der Pharmaindustrie an unseren Pipelines ist hoch. Wir rechnen mit mehr Kooperationen, Akquisitionen und weiteren Börsengängen. Die Qualität unserer Forschung ist inzwischen bekannt. Schaut man sich einen Biotechnologieindex an, sieht man, wie begehrt der Biotech-Sektor ist. Das wird auch für deutsche Firmen noch Positives mit sich bringen.

Die Biotech-Branche ist stark innovationsgetrieben. Gleichzeitig unterliegt sie hohen Regulierungsanforderungen. Wie kann dieser Spagat auch in Zukunft gelöst werden und was erwarten Sie hier von der zukünftigen Bundesregierung?

Wir hoffen, dass die Politik – nachdem sie sich nun gefunden hat – vieles aus dem Koalitionsvertrag umsetzen kann. Es geht etwa darum, die Wertschöpfungskette in den Schlüsseltechnologien in Deutschland zu erhalten: von der Forschung über die Gründung bis hin zu den reiferen Industrien. Es soll eine ressortübergreifende Agenda „von der Biologie zur Innovation“ entwickelt werden. Die Brücke ist hier die Biotechnologie. Es ist wichtig, neuen Technologien positiv gegenüberzustehen und nicht bereits die Forschung außer Landes zu treiben, indem man die Regulierung an manchen Stellschrauben so anzieht, dass es hier keine Zukunft gibt. Der designierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat erstmals laut darüber nachgedacht, dass es eine Biotechnologieagenda geben müsste. Das hat im Koalitionsvertrag Niederschlag gefunden. Wir hoffen, dass das Thema „Biologie und Innovation“ nun vorangetrieben wird. Denn wir brauchen Biotechnologie-Fachkräfte, um auch weiterhin weltweit an Platz 2 in der biopharmazeutischen Produktion zu bleiben – hinter den USA. 

Gibt es abseits der Politik noch Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste?

Wir müssen auch in der Gesellschaft noch viel mehr über das reden, was wir machen und was möglich ist. Kaum jemand weiß zum Beispiel, dass Diabetes-Medikamente mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Wir müssen erklären, was die moderne Biologie kann und was wir davon haben – im Bereich Gesundheit, im Bereich Umwelt. Biotechnologie kommt in Kläranlagen, bei der Käseherstellung, beim Brotbacken bis hin zu Diabetes- und Krebsmedikamenten zum Einsatz. Dass es für alle von Vorteil ist, wenn wir da mithalten können, müssen wir weiterkommunizieren.