Health-i-Award - Zwei Preise für digitale Diagnosehelfer aus Berlin

Der Health-i-Award zeigt, dass auf dem Gesundheitsmarkt die Digitalisierung keine Vision mehr ist, sondern gelebte Praxis. Die Auszeichnung erhalten Unternehmen und Persönlichkeiten, die mit neuen Ideen die digitale Technologie für das Gesundheitssystem weiterentwickeln. In diesem Jahr kommen zwei der ausgezeichneten Unternehmen aus Berlin – die esanum GmbH und das Start-up PeakProfiling. Die Gewinner konnten den Preis der Techniker Krankenkasse und des Handelsblatts im November in der Berliner Musikbrauerei in Empfang nehmen.

 

 

 

esanum ist eine Online-Plattform, die Medizinern Hintergrundwissen zu seltenen Krankheiten zur Verfügung stellt. Sie können sich untereinander austauschen, bekommen aber auch Zugriff auf die Medikamenteninformationen der Gelben Liste und Informationen von Herstellern sowie zu konkreten Therapiemöglichkeiten. Ein „Symptomefinder“ soll helfen, zu einer Diagnose zu kommen. Fachbereichsübergreifend erreicht das Portal mehr als 263.000 approbierte Mediziner und ist damit nach Unternehmensangaben eines der größten sozialen Netzwerke für Mediziner in Europa. Von Berlin aus ist es im deutschsprachigen Raum, in Südeuropa, Frankreich und Lateinamerika aktiv.

Aus der Hauptstadt heraus zu agieren, bietet esanum viele Vorteile. Geschäftsführer Tom Renneberg schätzt die „Dynamik als Start-up-Mekka“ und die Nähe zur Charité sowie zu den zahlreichen deutschen und internationalen Medizinkongressen am Standort. Durch die kulturelle Vielfalt in der Stadt habe es sein Unternehmen leicht, weltoffene und gut ausgebildete Menschen als Mitarbeiter zu gewinnen. „In Berlin passiert unglaublich viel“, schwärmt er. Dass esanum durch die Auszeichnung mehr Öffentlichkeit erlangt hat, freut ihn. „Vor allem, weil seltene Erkrankungen ein wirklich wichtiges Thema sind. Sie sind an sich schon selten und werden noch dazu viel zu selten schnell und richtig erkannt.“ Die Preisverleihung sei ein „toller Rahmen“ gewesen, um darauf aufmerksam zu machen.

Register und Symptomefinder unterstützen Diagnose

Von Anfang an war das Ziel der Plattform, für einen Austausch approbierter Mediziner zu sorgen. Dr. Bodo Müller, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes-Klinikum in Berlin-Hellersdorf, gründete esanum vor zehn Jahren gemeinsam mit Studierenden. Die Finanzierung des Internetforums erfolgt über Pharmaunternehmen, Ärzteverbände und Anbieter von Medizintechnikprodukten, die Infocenter auf der Plattform gründen können. Diese sind als gesponserte Bereiche erkennbar. Zusätzlich führt esanum mit Partnern Online-Fortbildungen für Ärzte sowie Umfragen durch.

Generell geht es darum, die Ärzte bei den besonderen Krankengeschichten zu unterstützen, mit denen sie in ihrer praktischen Arbeit konfrontiert werden. Durch Eingabe vorliegender Symptome werden mittels Suchmaschinenalgorithmus differentialdiagnostische Erkrankungen herausgefiltert. Laut esanum lassen sich so schnellere und frühere Diagnosen stellen, was unter Umständen Folgeschäden vermeidet und Therapiekosten spart. Mit dieser Funktion hat esanum derzeit ein Alleinstellungsmerkmal. „Bisher gibt es noch kein Register oder eine Symptomsuche von seltenen Krankheiten speziell für Ärzte“, heißt es von Seiten des Unternehmens.

ADHS über eine Schallanalyse hören

Der zweite Berliner Preisträger, die PeakProfiling UG, verhilft künftig Ärzten auf (noch) sehr ungewöhnliche Weise zur sicheren Diagnose. Das Start-up ist in der quantitativen Sprachschallanalyse tätig und kann mit auf eine Krankheit zugeschnittenen Algorithmen am Klang der Stimme eines Patienten psychische Krankheiten erkennen. Derzeit ist das bei ADHS und Depressionen möglich, laut PeakProfiling kann das Team weitere Algorithmen bauen – für die meisten psychischen Erkrankungen sowie für gewisse neurologischen Krankheiten wie Parkinson.

Geschäftsführer Claudio Hasler beschreibt den derzeitigen Stand der Technologie genauer: „Am meisten klinische Evidenz haben wir beim Thema ADHS – hier wurden erfolgreiche Studien mit der Charité Berlin durchgeführt. Die aktuellste klinische Studie hat über 1000 Patienten und wird demnächst abgeschlossen.“ Die enge Zusammenarbeit mit der renommierten Klinik empfindet er als sehr wertvoll. „Wir kombinieren das medizinische Wissen der Charité mit unserer technologischen Expertise und schaffen so eine völlig neue Methode, Ärzte bei der Diagnose zu unterstützen.“

Die Idee hinter diesem Ansatz stammt aus der Musik: Firmengründer Dr. Jörg Langner entwickelte die Schallanalyse und Visualisierungsverfahren und hält mehrere Patente. Diese Verfahren wurden zu einem umfassenden Analyse-System ausgebaut, das die klanglichen und gestalterischen Aspekte von Sprache einschließt – etwa Lautstärke, Tempo, Artikulation oder Sprachmelodie. Um die Technologie aus der Forschung in die Praxis zu bringen, wurde in diesem Jahr PeakProfiling gegründet. Die Preisverleihung beim Health-i-Award dürfte für das junge Unternehmen eine echte Nervenprobe gewesen sein. Entschieden hat nämlich nicht die Jury im Vorfeld, sondern das Publikum gab für die Kategorie „Start-up“ nach einem Live-Pitch der vier Nominierten am Abend der Preisverleihung sein Votum ab. 

Neues Denken, Mut und Innovationsgeist

Die Konkurrenz um den Health-i-Award war groß, denn in diesem Jahr hatten sich 189 Unternehmen für die Auszeichnung beworben – und das, obwohl der Preis erst zum zweiten Mal vergeben wurde. Nach einer Vorauswahl musste sich die Jury aus Vertretern der beiden Initiatoren, Medizinern und Digitalexperten in vier Kategorien für je einen Sieger entscheiden. Das große Interesse unter den Unternehmern bestärkt Dr. Jens Baas, den Vorstandsvorsitzenden der Techniker, darin, dass der Fokus auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen zukunftsweisend ist. Er ist überzeugt von der Leistung der Bewerber, auch wenn so viele leer ausgehen mussten: „Die Qualität der Bewerbungen zeigt, dass es bereits viele gute Ideen auch in Deutschland gibt. Die gilt es, weiter voranzubringen.“ Der Health-i-Award fördere dafür „neues Denken, Mut und Innovationsgeist“.