BTU und IZI-BB arbeiten an zellfreier Proteinsynthese

Forscherinnen und Forscher der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, des Fraunhofer IZI-BB in Potsdam-Golm sowie des Internationalen Hochschulinstituts (IHI) Zittau der TU Dresden haben ihre Expertisen in dem neuen, mit rund fünf Millionen Euro geförderten Projekt PZ-Syn „Pilzbasierte zellfreie Synthese-Plattformen“ vereint. Ziel ist, das katalytische Potenzial von Peroxygenasen – einer in Pilzen entdeckten Enzymgruppe – auszuschöpfen und ihre Herstellung auch in großem Maßstab zu ermöglichen. Das verspricht hohe Innovationspotenziale und wirtschaftlichen Erfolg.

Der Markt für proteinbasierte Pharmazeutika soll 2020 ein Volumen von 250 Milliarden US-Dollar erreichen. Auch in der Chemieindustrie kursieren ähnliche Zahlen für den Einsatz von Proteinen. Industrielle Syntheseprozesse, aber auch die Medikamentenentwicklung benötigen eine große Menge gereinigter Proteine. Peroxygenasen versprechen hohe Umsatzraten für die Industrie und in der Entwicklung und Erforschung von Medikamenten große Innovationspotenziale, denn sie ermöglichen Synthesen auf biokatalytischem Weg, oft sogar in einstufigen Reaktionen. Sie bauen sehr effizient und hochspezifisch Sauerstoffatome in verschiedene Zielstrukturen ein. Die so hergestellten Syntheseprodukte können in der klassischen organischen Synthese entweder gar nicht oder nur über viele Zwischenstufen erzeugt werden.

Was die Peroxygenasen für die Medizin so interessant macht, ist die Ähnlichkeit zu komplexen Leberenzymen. Sie regen dieselben Vorgänge an, die beim Abbau von Medikamenten auch in der menschlichen Leber stattfinden. Die Metabolite, also die Abbauprodukte dieser Medikamente, können mitunter starke Nebenwirkungen erzeugen. Die Pharmaindustrie hat daher großes Interesse daran, möglichst viele dieser Medikamenten-Metabolite zu Testzwecken verfügbar zu haben.

Keine Abhängigkeit von lebenden Zellen

„Im Gegensatz zu anderen, insbesondere nicht hämhaltigen Proteinen lassen sich die unspezifischen Peroxygenasen nur schwer heterolog, also durch Wirtsorganismen wie zum Beispiel Bakterien in aktiver Form produzieren“, erklärt Prof. Dr. Katrin Scheibner vom Fachgebiet Enzymtechnologie der BTU, die die Enzymgruppe zusammen mit Prof. Dr. Martin Hofrichter von der TU Dresden entdeckt hat. Aktuell müssen sie da isoliert werden, wo sie natürlicherweise vorkommen: in Pilzen. Eine Alternative wäre es, die katalytische Vielfalt der Peroxygenasen zellfrei, das heißt ohne lebendes Wirtssystem, herzustellen. Eine aufwendige Reinigung von Kultivierungsbestandteilen sowie die Abhängigkeit von lebenden Zellen würden wegfallen. 

Oft werden Proteine noch traditionell mit Hilfe von lebenden Zellen produziert. Das System „lebende Zelle“ stößt aber an seine Grenzen, wenn es um die Optimierung der Synthese oder die Herstellung von toxischen Proteinen geht. Auch für die automatisierte zellfreie Synthese werden zunächst Zellextrakte benötigt, die beispielsweise aus eukaryotischen Zellen gewonnen werden können. Weltweit führend in der Untersuchung und Hochskalierung dieser eukaryotischen zellfreien Systeme sind Dr. Stefan Kubick und seine Arbeitsgruppe vom Fraunhofer IZI-BB, Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse. Diese Systeme eignen sich besonders für die Herstellung von spezifisch gefalteten und modifizierten Proteinen.

Neue Generation pharmakologischer Testsysteme

Gelingt die Herstellung der Peroxygenasen in der Kooperation zwischen BTU und Fraunhofer IZI-BB, könnten verschiedenste Metabolite von Medikamenten erzeugt werden. Deren Ähnlichkeit zu durch Leberenzyme entstandenen Metaboliten könnte dann mithilfe der an der BTU kultivierten Leberzelllinien überprüft werden. „Mit der Etablierung zellfreier Syntheseplattformen, die gleichzeitig einen direkten Bezug zur Funktionsweise der menschlichen Leber haben, werden wir auch eine neue Generation pharmakologischer Testsysteme entwickeln können“, sagt Kubick. Arzneimittel-Metabolite müssen bei der Medikamentenentwicklung separat in Bezug auf ihre Toxikologie getestet werden, lassen sich aber vielfach nur über Enzyme herstellen. Hier können die Peroxygenasen gezielt für die Erzeugung von Medikamenten-Metaboliten genutzt werden.

Auf Basis des interdisziplinären Projekts soll eine neue Außenstelle des Fraunhofer IZI-BB am Campus Senftenberg etabliert werden. Das Ziel ist, möglichst frühzeitig Aufträge aus der Industrie für die Produktion von interessanten Proteinen zu erhalten und somit den Aufbau und die Etablierung der Fraunhofer-Außenstelle in Senftenberg zu befördern.

Steigende Umsätze erwartet

Durch das Nutzbarmachen wertvoller Biokatalysatoren für die chemische Industrie sowie die Entwicklung einer innovativen Syntheseplattform rechnet Kubick mit signifikant steigenden Umsätzen nach Ende der Projektlaufzeit. Entsprechend dynamisch könne die Außenstelle wachsen. „Initial werden im Projekt elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten, 2020 sollen es 15 Personen sein“, so Kubick. Bei wirtschaftlichem Erfolg der Technologien geht er ab dem achten Jahr nach Projektbeginn von 30 bis 50 Projektmitarbeitern aus. 

Für die BTU und das Fraunhofer IZI-BB bedeute die intensive Entwicklung dieser Kooperation eine inhaltliche und strategische Verzahnung, welche die künftige Zusammenarbeit auch auf anderen Feldern positiv beeinflussen werde. „Die komplementären Expertisen auf den Gebieten der industriellen und pharmazeutischen Biotechnologie bilden eine außergewöhnliche Innovationsallianz, die bei erfolgreicher Verknüpfung der einzigartigen Technologieplattformen umfangreiche Verwertungsstrategien neuartiger Proteine und einen hohen Wettbewerbsvorsprung für den Standort Senftenberg sowie für das Fraunhofer-Institut in Potsdam-Golm erwarten lassen“, resümiert Kubick.