Telemedizin im Aufschwung

Anteil virtueller Patienteninteraktionen nimmt seit Beginn der COVID-19-Pandemie um das Dreifache zu
• Nutzung von Videokonferenzen zur ärztlichen Beratung steigt um das Sechsfache
• Noch immer Hürden durch fehlenden menschlichen Kontakt und mangelnde Digitalkompetenz von Patienten auf dem Weg zur Telemedizin
• Mehrheit deutscher Ärzte erwartet nur eine eingeschränkte Rückkehr zur alten Normalität

 

Die Beratung und Behandlung von Patienten über digitale Kanäle hat als Folge von COVID-19 in Deutschland einen starken Aufschwung erfahren, wie die aktuelle „Health Interactions“-Umfrage von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, zeigt. Während vor Beginn der Corona-Pandemie 8% der befragten Ärzte in Praxen und Kliniken virtuelle Patiententermine durchführten, stieg dieser Anteil seit Ausbruch des Virus auf 25% an. Insbesondere die Beratung von Patienten per Videokonferenz erlebte ein signifikantes Wachstum von 6% vor COVID-19 auf nunmehr 36%. Insgesamt gehen die Ärzte davon aus, dass sich der Anteil der Patientenberatung über alle digitalen Kanäle hinweg im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie in den kommenden 12 bis 18 Monaten verdoppeln wird.

Mit dem Beginn der COVID-19-Pandemie in Deutschland stieg nicht nur der Einsatz von Videokonferenzen an. Die befragten Mediziner nutzen seitdem auch vermehrt E-Mails (61%) neben der bereits vor der Pandemie weit verbreiteten Telefonberatung (91%). Für die kommenden 12 bis 18 Monate gaben die Befragten an, die Patientenberatung auch künftig verstärkt per Video (35%), per E-Mail (59%) oder per Telefon (94%) durchführen zu wollen. Dagegen haben Patienten-Monitoring-Apps mit aktuell lediglich 7% bislang kaum Relevanz in der Patientenkommunikation der Mediziner und werden nach deren Ansicht auch zukünftig nicht sehr viel beliebter werden (8%).

Auf der anderen Seite bekunden 62% der Befragten starkes Interesse daran, derartige Apps in der Diagnose und Behandlung ihrer Patienten einzusetzen. Auch das Thema Künstliche Intelligenz zur Optimierung der Patientenbehandlung stößt sowohl bei niedergelassenen als auch bei Klinikärzten auf großes Interesse (67%). Hürden bei der Ausweitung der virtuellen Interaktion mit Patienten sehen die Mediziner vor allem im fehlenden menschlichen Kontakt bei der Diagnosestellung (84%). Eine große Herausforderung sind für 82% zudem die mangelnden Fähigkeiten der Patienten im Umgang mit den neuen digitalen Tools. 

„Wie in vielen anderen Branchen bewirkte die COVID-19-Pandemie auch für die Digitalisierung des Gesundheitssektors einen massiven Entwicklungsschub. Die Telemedizin erwies sich seit dem Lockdown im März als sinnvolles Mittel, um die Arzt-Patienten-Kontakte und damit auch das Infektionsrisiko für Patienten ebenso wie für das medizinische Personal wirksam zu reduzieren. Wir gehen davon aus, dass auch künftig ein substanzieller Teil der Arztbesuche telemedizinisch durchgeführt wird – auch unter vermehrter Anwendung digitaler Gesundheitslösungen und Entscheidungshilfen. Dafür müssen sowohl die niedergelassenen Mediziner als auch die Kliniken nun aber sowohl in die Infrastruktur als auch in die dafür notwendige Qualifizierung des Personals investieren“, erläutert Dr. Thomas Solbach, Partner und Healthcare-Experte bei Strategy& Deutschland.

Die Corona-Pandemie und ihre kurz- wie langfristigen Auswirkungen auf die Patientenbehandlung, das Management von Gesundheitseinrichtungen und das Gesundheitssystem stellen Mediziner vor neue und teilweise massive Herausforderungen. Die größte Schwierigkeit sehen 76% bei der weiteren Umsetzung von Hygienevorschriften und Social-Distancing-Maßnahmen im Praxis- und Klinikalltag. Niedergelassene Ärzte bewerten zudem die niedrige Nachfrage der Patienten nach Terminen kritisch (49%), während in Kliniken der Ausfall wichtiger Behandlungen Sorge bereitet (53%). Zudem hat mehr als jeder fünfte niedergelassene Arzt (22%) durch die Auswirkungen von COVID-19 finanzielle Sorgen.

Eine Rückkehr zum Status quo ihrer beruflichen Situation vor der Pandemie halten lediglich 39% der Mediziner für möglich. 61% erwarten hingegen Einschränkungen für ihre Tätigkeit und schließen eine vollständige Rückkehr zur alten Normalität aus. 

„Nach langen theoretischen Diskussionen um Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitswesen wurden virtuelle Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten durch COVID-19 nun Realität – Ärzte und Patienten haben digitale Lösungen in hoher Geschwindigkeit in ihren Alltag integriert. Aus unserer Sicht ist dieser Trend irreversibel und bringt zukünftig völlig neue Geschäftsmodelle für Unternehmen im Digital- und Gesundheitsbereich hervor. Neben Herausforderungen bei der Finanzierung sowie Incentivierung ist nicht zuletzt auch das Vertrauen von Ärzten und Patienten in diese neuen digitalen Anwendungen zentral, das mit Blick in die Zukunft gestärkt werden muss“, schließt Stephan Danner, Partner und Leiter des Bereichs Pharma Life Sciences bei Strategy& Deutschland.

Weitere Informationen zur Umfrage sowie unsere detaillierte Studie finden Sie unter: https://www.strategyand.pwc.com/de/de/studie/2020/pharma-route-digitization.html

 

Methodik

Für die vorliegende Umfrage wurden 100 niedergelassene sowie in Kliniken tätige Ärzte in Deutschland befragt. Die Online-Umfrage wurde im Juni 2020 durchgeführt.