Interview: Volker Erb (HealthCapital) und Stefan Bauer (WFBB)

Die Zahl Forschungsausgründungen, sogenannte akademische Spin-offs, steigt seit Jahren kontinuierlich und hebt das Interesse von Investoren. Bei der Entscheidung ob ein Forschungsprojekt das Potenzial zur Marktreife hat und wie der Prozess dahin aussieht, ist neben der Finanzierung auch die Standortwahl entscheidend.
Wir haben mit zwei langjährigen Experten auf diesem Gebiet über genau dieses Thema aus der Wirtschaftsförderungsperspektive gesprochen: Volker Erb und Stefan Bauer sind als Projektmanager im Cluster HealthCapital und der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) spezialisiert auf Neugründungen aus dem wissenschaftlichen Sektor und begegnen wöchentlich neuen Ideen und Startups, die Orientierungshilfe benötigen.

 

Sie sind beide in ihren jeweiligen Wirtschaftsförderungen gewissermaßen am Puls der Startups. Fangen wir ganz vorn an: was motiviert Unternehmer oder Wissenschaftlicher die noch gar keine sind, ein Startup im Bereich Wirkstoffentwicklung zu gründen?

 

Volker Erb: Das bzw. die Motive, ein Unternehmen zu gründen, sind durchaus vielschichtig. Sehr inspirierend wirkt natürlich die lebendige Startup-Szene hier in der Region. Initial sollte aber die Idee im Vordergrund stehen. Oft ist sie das Ergebnis der eigenen Forschungsarbeit, in der die Erkenntnis reift, dass sie ein erhebliches Potenzial für die Kommerzialisierung hat.  Dies sollte aber gründlich überprüft werden, ob dem so ist und ob man für den langen Weg bereit ist, ein Unternehmen zu entwickeln. Besonders im Bereich der Wirkstoffentwicklung eine echte Herausforderung. Motive wie Unzufriedenheit mit der eigenen beruflichen Entwicklung oder dem Willen, sich selbst zu verwirklichen sind oft anzutreffen. Aber ohne ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept ist eine Gründung dann keine gute Idee. Für den reality-check bzw. für eine umfassende Gründungsberatung gibt es übrigens vielfältige Angebote und kompetente Ansprechpartner in der Hauptstadtregion, um seine Idee zu reflektieren.

Stefan Bauer: Die Erstellung des Businessplans hilft dem Gründer dabei, sich über seine Motive und die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells im Klaren zu werden. Hier stellt der Unternehmer seine Idee, den Kundennutzen, die Markteintrittsstrategie, das Produkt bzw. Leistungskonzept, die Finanzierung und eigene Qualifikation dar, Im Rahmen eines Gründungs-Checks werden die spezifischen Beratungs- und Coachingbedarfe analysiert sowie die Ziele und Strategie des unternehmerischen Handelns strukturiert.

 

Sehen Sie trotz der dichten, gut vernetzten Infrastruktur dennoch ungenutzte Potenziale in der Region?

Volker Erb: Die Region zeichnet sich durch eine exzellente Wissenschaftslandschaft aus und ist die wichtigste Ressource für Ausgründungen, wenn man sich die Gründungen der letzten Jahre ansieht. Im Bereich der Wirkstoffentwicklung sehe ich jedoch viel ungenutztes Potenzial. Das sich dies nicht viel stärker entfaltet hängt selbstverständlich mit der Materie zusammen. Ein Startup in diesem Bereich hat einen herausfordernden Weg vor sich, der Weg zum marktfähigen Produkt ist lang und es wird viel Kapital benötigt. Viele Beispiele haben aber bewiesen, dass man im Bereich der Entwicklung von neuen Therapien erfolgreich gründen kann, wie z.B. jüngst die Gründung von T-Knife oder auch Pantherna Therapeutics. Es braucht jedenfalls mehr Vorbereitungszeit bei der Konzeption des Geschäftsmodells und der Akquise von Kapital, als es z.B. bei einem Digital-Startup üblich ist.   

Stefan Bauer: Aufgrund der Kapitalintensität und Langfristigkeit sind die Risiken für ein wirkstoffentwickelndes Unternehmen höher einzuschätzen als in anderen Branchen. Um Investoren zu finden, sollte das Gründungsteam sowohl wissenschaftliches als auch betriebswirtschaftliches Know-how erworben und ein Beziehungsnetzwerk aufgebaut haben. Außerdem muss das Unternehmen über die Patentrechte an dem Wirkstoff verfügen.

 

Mit Gründungsfinanzierungen kommen für wissenschaftliche Startups oft neue Aufgabenbereiche und Verantwortungen auf. Welche Schwierigkeiten ergeben sich Ihrer Erfahrung nach in der Überführung eines wissenschaftlichen Projekts in ein Geschäftsmodell am häufigsten und wie kann man gegensteuern?

Volker Erb: Der Weg vom Projekt hin zur Gründung bedeutet den Start eines komplexen Prozesses, der neben der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit viele Ressourcen bindet. Das kann schnell zu einer Überforderung und so zum Abbruch der Ambitionen führen. Deshalb ist es besser, wenn man sich rechtzeitig Unterstützung sucht, als Team mit klarer Aufgabenteilung gründet oder einen kompetenten Partner findet, der sich voll und ganz der Aufgabe widmen kann. Dazu gehört dann auch die Bereitschaft, bereits in einer sehr frühen Phase zu teilen. Ein Problem ist auch oft, in der Startphase ausreichend Startkapital zu erhalten. Die Lösung kann sein, in den ersten beiden Jahren den Weg der kleinen Schritte zu gehen und mit geringerem Eigenkapital in Kombination mit öffentlichen Mitteln das Unternehmen sukzessive zu entwickeln. Der positive Effekt ist dabei auch, dass das Unternehmen so an Wert gewinnt und die eigene Position gegenüber zukünftigen Geldgebern gestärkt wird.

Stefan Bauer: Laut den Branchenverbänden kann die Erforschung und Entwicklung eines Arzneimittels mit einem neuen Wirkstoff inzwischen bis zu 12 Jahre dauern und mehr als 1 Mrd. US-Dollar kosten. Grundsätzlich steht nach der Vorbereitungsphase und dem operativen Start zunächst die Wirkstoffforschung im Vordergrund. Es folgt die Phase der Präklinik, womit sich der Kapitalbedarf erhöht. Die klinische Erprobung lässt sich nur durch weitere Finanzierungsrunden mit neuen Investoren decken. In der Regel wird in dieser Phase der Wirkstoff an einen Pharmapartner auslizensiert.

 

In den Schlagzeilen ist beim Thema Startups zumeist das Thema Risikokapital, also Privatfinanzierung für jungphasige Unternehmen zu lesen. Gibt es aus der Fördermittellandschaft aus Ihrer Sicht besser geeignete Instrumente für die Wirkstoffentwicklung? Braucht es beides?

Volker Erb: Es braucht definitiv beides. Fördermittel sind aber ein sehr gutes Instrument, um die ersten Meilensteine z.B. in der präklinischen Phase zu erreichen. In Kombination mit einem Frühphaseninvestor können so jedenfalls die ersten beiden Jahre finanziert werden. Und diese Zeit kann man gut nutzen, um weitere Daten zu sammeln, weitere Ergebnisse zu generieren, und so die Basis für  die Anschlussfinanzierung zu schaffen.

Stefan Bauer: Grundsätzlich ist ein Mix aus verschiedenen Finanzierungsformen vorzuziehen. Subventionen von staatlicher Seite sind für Gründer und Start-ups vergleichsweise günstig, allerdings stellt Risikokapital im Laufe der der Unternehmensentwicklung das wichtigste Finanzierungsinstrument dar, auch um Fördermittel gegenfinanzieren zu können. Als ein geeignetes FuE-Förderprogramm für die Wirkstoffentwicklung hat sich ProFIT erwiesen. In der Spätphase kommt für einen Wirkstoffentwickler als alternative Finanzierungsform zusätzlich das Partnering mit einem Pharmaunternehmen in Betracht.

 

Sie sind beide für den HealthCapital Cluster der Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg tätig. Welche Unterstützung kann ich als Startup von Ihnen erhalten, wenn ich meine Idee für Marktreif halte?

Volker Erb: Gründer können bei uns ein breitgefächertes Serviceangebot erhalten. Dazu gehört z.B. die Identifizierung der geeigneten Fördermittel, die Suche nach einem Standort, Unterstützung bei der Rekrutierung von Personal und bei der Vernetzung mit passenden Partnern. Und nicht zuletzt erhält der Gründer ein konstruktives Feedback zu seiner Geschäftsidee. Zum Beispiel mit unserem jährlich stattfindenden Seedcamp bieten wir einen 2-tägigen Workshop an, bei dem potentielle Gründer wertvolle Informationen von Experten und ehemaligen Gründern erhalten können. Die Unterstützung richtet sich selbstverständlich am Bedarf des Gründers aus. Da sind wir ganz flexibel.

Stefan Bauer: Kern des Start-up-Services sind Coachingprogramme (z.B. Innovationen brauchen Mut). Gründer erhalten Beratungsunterstützung durch ausgewählte externe Expertinnen und Experten zu gründungsrelevanten Fragestellungen wie Businessplanerstellung und Investorensuche. WFBB und Berlin Partner helfen bei der Suche nach einem passenden Standort, informieren über Fördermöglichkeiten für Innovation und Fachkräftesicherung und beraten zur Erschließung neuer Märkte.